Neues Innenstadtkonzept der Behörde sieht einen Ost-West-Boulevard, mehr Wohnungen und weniger Büros vor

Hamburg. Die Grenzen der Innenstadt schienen für viele Jahre auf ewig festgelegt: Wie eine Schneise trennte die ehemalige sechsspurige Ost-West-Straße noch immer die Flanier- und Einkaufsmeilen der eigentlichen City von der Wasserlage an der Elbe. Die Areale südlich der Straße - früher einmal Keimzelle der Stadt - interessierte lange Zeit nur Büro-Investoren. Noch weiter südlich versperrte bis 2003 der Zollzaun den Weg in die Speicherstadt und in den Freihafen. Doch der Bau der HafenCity verändert nun alles. "Die Innenstadt vergrößert sich glatt um 40 Prozent", sagt Dieter Polkowski, Abteilungsleiter in der Stadtentwicklungsbehörde, die derzeit ein neues Innenstadtkonzept erarbeitet.

Schlüsselaufgabe dabei: Innenstadt, Speicherstadt und HafenCity sollen zu einer großen City zusammenwachsen. "Die alten Wege, die Twieten bekommen wieder eine neue Bedeutung", sagt Stadtplaner Polkowski. Bisher hat die Stadtentwicklungsbehörde mit externen Arbeitsgruppen an dem Konzept gearbeitet: Vertreten sind dabei unter anderem die Handelskammer, der Einzelhandel, aber auch private Architekten. Am kommenden Mittwoch soll nun eine Art Zwischenstand öffentlich präsentiert werden (siehe Infokasten rechts) - um dann das Konzept weiter zu konkretisieren. Auch Bürger könnten sich daran beteiligen, sagt Stadtplaner Polkowski. "Wir versuchen dann, aus den Vorschlägen konkrete Ziele zu entwickeln." Voraussichtlich noch in diesem Jahr werde der Senat dann das neue Innenstadtkonzept verabschieden.

Schon jetzt werden relativ konkrete Pläne diskutiert. Ein Ziel sieht beispielsweise vor, den Wohnanteil in der Innenstadt zu erhöhen. Für die neue HafenCity ist das kein Problem: Dort schreibt der Masterplan schon jetzt vor, dass dort einmal rund 12 000 Menschen wohnen werden. Fast so viel wie derzeit in den beiden Stadtteilen Altstadt und Neustadt zusammen, die im Wesentlichen die heutige City ausmachen. 14 400 wohnen dort, die meisten davon (12 000) in der Neustadt rund um den Michel. Der Rest ist heute vor allem Geschäfts- und Bürostandort, während vor dem Zweiten Weltkrieg in beiden Stadtteilen noch 65 000 Menschen wohnten. Bereits vor wenigen Jahren lockerte die Behörde strenge Bauvorschriften, sodass auch in früheren Geschäftsvierteln in Ausnahmefällen wieder Wohnungen zulässig sind. Ziel des Konzepts könnte sein, dass aus den Ausnahmen wieder die Regel werde, sagt Polkowski. An zwei Beispielen ließe sich zeigen, wie dieser Wohnanteil erhöht werden könnte:

Cremon-Insel: Viele Bereiche zwischen der früheren Ost-West-Straße (Heute Ludwig-Erhard-Straße und Willy-Brandt-Straße) und der Speicherstadt führen aus Sicht der Stadtplanung bisher ein "Schattendasein". Auf der Cremon-Insel soll nun erstmals ein sechsgeschossiger Nachkriegs-Bürokomplex an der Reimerstwiete abgerissen werden. Geplant sind dort neun Einzelgebäude mit rund 150 neuen Wohnungen.

Die vier City-Hochhäuser sind eine weitere Möglichkeit, wieder neue Wohngebäude in der Innenstadt zu bauen. Die grauen Häuser gehören der Stadt und beherbergen derzeit das Bezirksamt Mitte. Im Zusammenhang mit dem Innenstadtkonzept wird nun der komplette Abriss diskutiert. Und in den Neubauten an dieser zentralen Stelle am Klosterwall könnten ebenfalls Wohnungen integriert werden.

Intensiv befasst sich das Innenstadtkonzept aber auch mit der Überwindung von bisherigen Barrieren zwischen City und HafenCity:

Die frühere Ost-West-Straße ist dabei besonders im Blickfeld: Gebaut wurde sie nach dem Krieg, als die autogerechte Stadt Ziel vieler Stadtplaner war. Heute habe sich das geändert, sagt Polkowski. Der "öffentliche Raum" werde quasi wiederentdeckt. "Man sitzt wieder mehr draußen, flaniert." So gab es sogar Überlegungen, den gesamten Durchgangsverkehr dieser schneisenartigen Straße in einen Tunnel zu verlegen. Doch das sei technisch wegen der vielen Leitungen äußerst kompliziert und nicht zu finanzieren. Stattdessen solle mit dem Innenstadtkonzept die Straße zu einer Art Großstadt-Boulevard umgestaltet werden. Vorstellbar, sagt Polkowski, sei etwa eine Allee. Zudem müssten sich die Gebäude an der Straße mit Einkaufsmöglichkeiten oder auch Gaststätten zur "Straße öffnen". Heute hingegen gebe es sogar Ecken, wo Parkhausfassaden die Straße prägen.