Der Politik fehlt für die grandiosen Elemente des Stadtbildes eine konkrete Vision. Aber nur so bleibt die Metropole einmalig

Eine Verteidigungsschrift für die Hamburger Baukultur, wie sie vor einiger Zeit an dieser Stelle zu lesen war, halte ich derzeit für wenig hilfreich. Die schwächelnde Hamburger Baukultur und die Städtebaukultur bedürfen dringend einer kritischen öffentlichen Auseinandersetzung.

Ich sehe mich an Äußerungen aus der Vergangenheit erinnert, als zum Beispiel Alfred Lichtwark (1852-1914), einer der bedeutendsten Kunstexperten Hamburgs, zu seiner Zeit schon beklagte: "Wohl keine Kulturstadt der Welt hat je eine solche Selbstzerstörungslust entwickelt wie Hamburg." Er prägte das böse Wort von der "Freien und Abrissstadt Hamburg".

Heute würde er wohl eher von der "Freien und Rummelstadt" sprechen. Denn Hamburg verspielt seit vielen Jahren seine Identität, seine Würde und seine Baukultur, so drastisch wie dies Hans Stimmann, der ehemalige Berliner Senatsbaudirektor, im letzten Architekturjahrbuch für das Innenstadtkonzept dargestellt har. Es fehlt die konkrete Vision für die zukünftig nachhaltig wirksamen Elemente des Stadtbildes - Hamburg muss einmalig bleiben.

Weitere Hochhäuser wie in St. Pauli Süd oder am Spielbudenplatz müssen ausgeschlossen werden. Bauvorhaben minderer Qualität wie im Block Hütten/Neuer Steinweg, an der Fuhlentwiete, im ehemaligen Gängeviertel oder an der ehemaligen Ost-West-Straße schädigen das Ansehen der Metropole und der Identität der Stadt.

Wenn die Bebauung an der Katharinen-Kirche durch Hochtief dann noch hinzukommt, wird das ein weiterer Tiefschlag für das Hamburger Stadtbild am wichtigen Nord-Süd-Weg zwischen dem Jungfernstieg und der HafenCity sein. Auch der neuen HafenCity fehlt eine unverwechselbare Hamburger Architektur, die nicht überall und nirgends stehen kann. Sie bleibt eine hoch verdichtete Ansammlung unterschiedlicher Bauten. Der herausragende Standort hätte ein baukulturelles und städtebauliches Prunkstück verdient. Die Elbphilharmonie steht dort vollständig eingezwängt und nicht erschließbar am Ende einer viel zu massiven stereotypen Klotz-für-Klotz-Bebauung.

Die grandiose Hafenkrone von Fritz Schumacher wurde leider ohne Sinn und Verstand durch drei charakterlose graue, architektonisch auch noch ärmliche Hochhäuser zerstört. Seit gut 150 Jahren hat für alle Bahnreisenden der Blick von den Elbbrücken auf die historische Turmsilhouette hohen Begrüßungs- und auch Abschiedswert.

Diesem Erlebnis, der ersten Visitenkarte, die Hamburgs Turm-Silhouette abgibt, wird das am Versmannkai geplante Hochhaus der ECE nun einen deutlichen Schlag versetzen. Ohne Not wird es in die Silhouette zwischen St. Michaelis, dem Rathaus und St. Nikolai gestellt.

Auch die Hamburger Plätze, Brennpunkte des Innenstadterlebnisses, brauchen Identitätsstiftung durch charakteristische Gestaltung. Das gilt für den Burchardplatz, den kalten Domplatz und sicher auch für den Rathausmarkt.

Auch wenn es hart klingt: Die Hansestadt Hamburg braucht einen grundsätzlich neuen Ansatz für einen Städtebau und eine Baukulturpolitik, die der Bedeutung, der Geschichtlichkeit, der Würde und der beanspruchten Metropolfunktion auch wirklich gerecht wird. Baukultur ist Stadt- und Touristikwerbung auf höchstem Niveau. Sie prägt auch die internationale Bedeutung Hamburgs als Wirtschaftsstandort.

Glaubt man im Ernst, dass die Verantwortlichen in einer der gern zitierten anderen europäischen Großstädte, ob Madrid, Rom, Brüssel, Kopenhagen oder Barcelona, von Venedig, London, Paris gar nicht zu reden, auch nur im Traum darauf kommen würden, ihre historischen und repräsentativen Plätze Monat für Monat erneut durch profane "Events", billigen Kommerz und anderen Rummel "vermüllen" zu lassen? Niemals!