Vorstandschef Günter Elste über kürzere Haltezeiten am Bahnsteig, Energieerzeugung durch Bremsen und Ökostrom-Zertifikate

Altstadt. Erst vor Kurzem übten Umweltschützer Kritik an der Hamburger Hochbahn AG (HHA), weil das stadteigene Unternehmen keine Ökostrom-Zertifikate mehr kaufen will. Im Abendblatt-Gespräch verteidigt HHA-Chef Günter Elste die Entscheidung und sagt, warum kürzere Stopps der Züge am Bahnsteig und Investitionen in Speicher, die Bremsenergie aufnehmen, aus seiner Sicht sinnvoller sind.

Hamburger Abendblatt: Herr Elste, warum will die Hochbahn keine Ökostrom-Zertifikate mehr kaufen?

Günter Elste: Diese Zertifikate sind für uns reine Symbolpolitik. Ich habe gelernt, dass mit den Öko-Zertifikaten lediglich honoriert wird, dass ein Unternehmen vor geraumer Zeit ein Kraftwerk gebaut hat, das regenerative Energie produziert. Dafür bekommt der Besitzer über die Zertifikate nun im Nachhinein Geld, ohne dass garantiert ist, dass mit dem Geld die Produktion regenerativen Stroms ausgeweitet wird. Wenn die Hochbahn solche Zertifikate kauft, ändert sich dadurch rein ökologisch gar nichts in Hamburg. Bei dem großen wirtschaftlichen Druck, dem wir ausgesetzt sind, wollen wir lieber etwas Konkretes vor Ort tun, als für so ein Zertifikat zu bezahlen.

+++ Hamburgs U-Bahn verkürzt Stopps auf sieben Sekunden +++

+++ Zur Person Günther Elste +++

Rund 300 000 Euro für die Ökostrom-Zertifikate bei jährlichen Stromkosten von 16 Millionen Euro - sollte es das der Hochbahn nicht trotzdem wert sein?

Elste: Wir rechnen anders. Mit 300 000Euro pro Jahr kann ich Zinsen und Tilgung für eine Investition von rund drei Millionen Euro stemmen, mit denen wir dann Projekte zur Stromeinsparung finanzieren.

Die S-Bahn wirbt mit Ökostrom und ist damit recht erfolgreich.

Elste : Dabei ist auch das reine Symbolpolitik. Die DB-Energie hat schon seit Ewigkeiten ein Wasserkraftwerk. Der Strom daraus ist seit Jahr und Tag Bestandteil der Stromerzeugung von DB-Energie. Es ist nichts Neues passiert bei der S-Bahn, man hat dem Ganzen nur ein neues Label gegeben und tut so, als ob dieser Strom aus Wasserkraft jetzt nur für die S-Bahn Hamburg ins Netz gegeben wird. Tatsächlich ist aber alles geblieben wie immer.

Sie trauen also den Ökostrom-Zertifikaten nicht. Was ist Ihre Alternative?

Elste: Was wir machen, ist konkret sichtbar. Wir verbrauchen weniger Strom. Wir haben mehr Geld ausgegeben, um Fahrzeuge zu bekommen, die aus der Bremsenergie Strom erzeugen können. Das ist Standard bei uns. Dazu gibt es immer wieder neue Projekte. Zum Beispiel haben wir Energiespeicher entwickelt und installiert, die den Strom, der beim Bremsen entsteht, aufnehmen und speichern können. Wir haben für 560 000Euro zwei solcher Energiespeicher an der U 1 in Ochsenzoll und Fuhlsbüttel installiert. Damit sparen wir 800 000 Kilowattstunden Strom und 460 Tonnen CO2 pro Jahr.

Was noch?

Elste: U-Bahnzüge, die im Abstellgleis stehen, laufen trotzdem unter Strom, um bestimmte Systeme funktionsfähig zu halten. Wir haben ein neues technisches System entwickelt, wie man das Ganze mit weniger Strom hinbekommt. Nun sparen wir 1,5 Millionen Kilowattstunden pro Jahr.

+++ Umfrage: Die Hochbahn verzichtet auf Öko-Strom. Ihr Chef Günter Elste sagt, Öko-Strom-Zertifikate seien reine Symbolpolitik. Hat er recht? +++

Das sind Dinge, die Sie bereits eingeführt haben. Gibt es auch neue Ideen?

Elste: Im Vorstand haben wir entschieden, die Abfertigungszeiten der U-Bahnen an den Haltestellen zu verkürzen. Hat der Fahrer dadurch mehr Zeit für die Strecke, muss er keine Spitzengeschwindigkeit fahren. Bei zwölf Millionen Abfertigungsvorgängen pro Jahr sparen wir rund fünf bis sieben Millionen Kilowattstunden Strom. Dafür müssen wir allerdings die Fahrzeuge umrüsten. Wir werden 1,4 Millionen Euro investieren und die Altfahrzeuge auf das neue System umrüsten.

Die GAL wirft der Hochbahn vor, die Ökostrompreise waren die Rechtfertigung für die letzte Fahrpreiserhöhung.

Elste: Das ist eine Legende, dass die HVV-Preise wegen des Ökostroms erhöht worden sind. Wenn irgendwelche Politiker das behaupten, haben sie keine Ahnung. Die Preisanhebung ist neben den steigenden Personalkosten durch den exorbitanten Anstieg der Dieselkraftstoff- und der Strompreise im Allgemeinen nötig geworden.

Müssen Sie als stadteigenes Unternehmen eine Vorreiterrolle einnehmen?

Elste : Das machen wir als Instrument der Senatspolitik nachweislich schon an vielen Stellen. Wenn der Senat darüber hinaus eine Symbolpolitik will, machen wir auch das. Aber wir sehen es nicht als sinnvoll an, Geld dafür zu bezahlen, dass irgendwer irgendwo auf der Welt vor zehn Jahren mal ein Wasserkraftwerk gebaut hat. Die Hochbahn sorgt mit diesem Geld lieber dafür, dass nicht so viel Strom gebraucht wird. Das ist mir wichtiger als der Show-Effekt.

Vattenfall und die Stadt sind eine neue Partnerschaft eingegangen. Der Strom von Vattenfall wird künftig im Kohlekraftwerk Moorburg produziert. Hat das eine Rolle gespielt bei der Entscheidung?

Elste: Nein, wir haben die Entscheidung bereits im Herbst 2010 getroffen. Da war von diesem Senat und dieser Einigung noch nicht die Rede. Und der damalige Senat hatte keine Einwände.

Die Nutzung von Ökostrom im öffentlichen Nahverkehr ist aber im Klimaschutzkonzept des Senats festgeschrieben, also auch Teil der Senatspolitik. Wie passt das zusammen?

Elste: Die Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes hat uns noch nicht erreicht. Wir kennen auch keine Senatsdrucksache hierzu und haben bislang keine Anfragen der Behörde erhalten.