Die neuen Hygiene-Vorschriften treffen in Hamburg vor allem kleine private Pflegestellen. Die Verunsicherung bei den Tagesmüttern ist groß.

Hamburg. Beim Verein Hamburger Tagesmütter und -väter steht das Telefon nicht mehr still, die Verunsicherung ist groß. Auslöser ist der neue "Leitfaden für die Lebensmittelhygiene in der Kindertagespflege", den die Sozialbehörde in diesen Tagen verschickt hat. Unter Punkt 1 heißt es dort: "Da Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Tagespflegeperson Lebensmittel an Kinder abgeben, sind Sie nach der EU-Verordnung von 2004 (Nr. 852/2004, Artikel 6) Lebensmittelunternehmer und unterliegen damit auch der staatlichen Lebensmittelkontrolle."

Hinter den trockenen Worten verbergen sich neue zusätzliche Belastungen für die rund 1600 Tagesmütter und -väter in Hamburg : Sie müssen sich seit dem Jahreswechsel beim Bezirksamt registrieren lassen, eine Lebensmittelhygiene-Schulung nachweisen, "im Umgang mit Lebensmitteln saubere, helle Schutzkleidung tragen", alle Einkäufe dokumentieren, täglich die Lagerungstemperatur in Kühlschrank oder Tiefkühltruhe notieren und außerdem ein Reinigungsprotokoll erstellen. "Bislang waren wir davon ausgegangen, dass nur Zusammenschlüsse mehrerer Tagespflegepersonen von den neuen Vorschriften betroffen sind. Aber plötzlich sollen sie für alle gelten, auch für die, die in ihren Privathaushalten arbeiten", sagt Anja Reinke, die Vorsitzende des Vereins Hamburger Tagesmütter und -väter. Sie fürchtet, dass nun weitere Tagesmütter aufgeben.

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Schon jetzt ist die Zahl der Tagespflegestellen rückläufig, obwohl die Sozialbehörde diese immer als wichtige Säule beim Ausbau der Krippenplätze bezeichnet. 14,5 Prozent der betreuten Kinder unter drei Jahren sind bei Tagesmüttern und nicht in einer Kita. Gab es Ende 2010 noch 1650 Tagesmütter und -väter, so sind es nach Angaben der Sozialbehörde inzwischen nur mehr 1607 (Stand 31. Juli 2011), die knapp 4900 Kinder betreuen.

Dabei sind sich die EU-Kommission und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Berlin uneins, wie die Vorschriften auszulegen sind. "Tagesmütter fallen nicht unter die strengen EU-Hygiene-Vorschriften", heißt es in einer Stellungnahme der EU-Kommission. Sich bei den Hygienekontrollen bei Tagesmüttern auf EU-Verordnungen zu beziehen sei eine zu enge Auslegung des EU-Rechts.

Aus Sicht des Bundesernährungsministeriums bereiten Tagesmütter dagegen keineswegs "nur gelegentlich" oder "in kleinem Maße" Lebensmittel zu. "Vielmehr tun sie dies in der Regel mehrfach täglich und oft für eine größere Gruppe Kinder. Damit fallen Tagesmütter nach unserer Auffassung unter die Definition von Lebensmittelunternehmern", sagt eine Ministeriumssprecherin. Die Sozialbehörde sieht ihre Hände gebunden. "Hamburg hat sich an die Maßgaben des Ministeriums zu halten", sagt Sprecherin Nicole Serocka. Bei etwaigen Kontrollen gebe es aber die Absprache, dass der Ermessensspielraum genutzt werde.