Kiel. Ganz normaler Vorgang oder Skandal? Ein Schreiben des Justizministeriums an die Staatsanwaltschaft sorgt im politischen Kiel für Wirbel. Die einen sehen eine versuchte Einflussnahme der Ministerin, andere einen ganz normalen Vorgang.

Wollte Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) tatsächlich strafrechtliche Ermittlungen gegen Landtagsabgeordnete anweisen, wie die Opposition vermutet? Oder sind diese Vorwürfe "unwahr", wie die Ministerin betont? Darüber ist am Mittwoch im politische Kiel Streit entbrannt. Auslöser war ein Bericht des "Flensburger Tageblatts" vom selben Tag. Demnach habe Spoorendonk gegen Abgeordnete des Friesenhof-Untersuchungsausschusses ermitteln lassen wollen, was Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) verhindert habe. Die Opposition will in den kommenden Tagen das weitere Vorgehen besprechen. "Wir behalten uns sämtliche parlamentarische Schritte vor", sagte CDU-Fraktionschef Daniel Günther.

Bei der Kontroverse geht es um eine Unterlage der Staatsanwaltschaft zu laufenden Ermittlungen im Zusammenhang mit den im Sommer 2015 geschlossenen Friesenhof-Mädchenheimen. Diese Unterlagen hat der Untersuchungsausschuss auf Anfrage erhalten. Im Juli 2016 dienten sie als Quelle in einem Bericht der "Kieler Nachrichten".

Der Ausschuss untersucht unter anderem die Frage, ab wann Ministerin Kristin Alheit (SPD) über die Situation in den Heimen informiert war. Das Ministerium habe dem Gremium auf dessen Ersuchen "sensible Daten der Staatsanwaltschaft aus laufenden Ermittlungen übermittelt", sagte Ministeriumssprecher Oliver Breuer. Dies sei nur unter der Zusicherung der Vertraulichkeit möglich gewesen und diese sei von Seiten des Ausschusses auch zugesichert worden, sagte Breuer.

Als später in der Zeitung Details standen, habe Spoorendonk an die Ausschussvorsitzende geschrieben und um Rückkopplung gebeten, wie die zugesicherte Vertraulichkeit künftig sichergestellt werden könne, sagte der Ministeriumssprecher. Unter anderem dieses Schreiben sei der Staatsanwaltschaft Kiel vom zuständigen Referatsleiter über den Generalstaatsanwalt zur Kenntnis gegeben worden. Es sollte nach Angaben Breuers zufolge dokumentiert werden, "dass wir alles tun, um die Vertraulichkeit der staatsanwaltlichen Daten auch zukünftig zu gewährleisten".

Die Staatsanwaltschaft nahm nach Erhalt des Schreibens tatsächlich Ermittlungen gegen Unbekannt auf. Dies bestätigte Behördensprecher Axel Bieler. Es habe aber keine Weisung gegeben, aktiv zu werden, sondern nur den Hinweis auf den Presseartikel. Diesen hatte die Staatsanwaltschaft laut Bieler zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgewertet. Nach Durchsicht habe der Anfangsverdacht einer möglichen Straftat - Geheimnisverrat - bestanden.

Für Oppositionsführer Günther indes ist klar: "De facto hat sie (Spoorendonk) Druck auf die Staatsanwaltschaft ausgeübt; egal wie sie es jetzt umdeutet." Für Günther ist die Einstufung der Dokumente als vertraulich eine Behinderung der Ausschussarbeit zum Schutz von Sozialministerin Alheit.

Auch FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki schäumt: "Es ist aus unserer Sicht eine nicht hinnehmbare Grenzübertretung und aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich, wenn eine Justizministerin die Staatsanwaltschaft anweist, gegen Abgeordnete zu ermitteln".

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner konterte, "die Opposition bläst die Backen auf und konstruiert den absurden Vorwurf, die Justizministerin habe die Staatsanwaltschaft angewiesen, gegen Abgeordnete zu ermitteln". Im vorliegenden Fall sei das Parlament in keiner Weise eingeschränkt oder unter Druck gesetzt worden.

Die Staatsanwaltschaft wollte in der Sache unter anderem im Landtag ermitteln, dazu braucht sie aber eine sogenannte Ermächtigung des Landtagspräsidenten. Dieser erteilte sie nicht, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Ermächtigung seiner Ansicht nach juristisch nicht gegeben waren: Der Ausschuss hatte die Vertraulichkeit des Dokuments nicht beschlossen. Erst dann wäre eine Weitergabe möglicherweise strafbar gewesen.