Die Bewohner der Zomia-Gruppe müssen weg aus Wilhelmsburg, und zwar schnell – wollen sie aber nicht. Stadt bietet ihnen drei Alternativflächen an.

Hamburg. Die Bauwagen-Siedler, die sich Zomia nennen, müssen weg aus Wilhelmsburg, und zwar schnell. Das fordert Markus Schreiber (SPD), Leiter des Bezirksamts Mitte. Er hat ein Ultimatum gestellt: "Ich erwarte, dass bis Mitte September eine neue Fläche außerhalb unseres Bezirks festgelegt wird und dass die Bauwagen-Bewohner dann umgehend dorthin umziehen." Ansonsten würde das Gelände geräumt.

Für Schreiber steht fest: "Die Bezirksversammlung hat sich gegen eine dauerhafte Nutzung des Geländes in Wilhelmsburg ausgesprochen, denn die Bauwagen stehen auf einem Industriegelände, und dort ist das Wohnen nicht gestattet." Eine Entscheidung bis zur nächsten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am 6. September verlangt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andy Grote.

Auch die federführende Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) sieht nun dringenden Handlungsbedarf: Für Montag sind ZomiaVertreter - etwa 15 Menschen leben am Ernst-August-Kanal - in die Behörde an der Stadthausbrücke eingeladen. Bei diesem Treffen sollen ihnen nach Abendblatt-Informationen mindestens drei Alternativflächen angeboten werden: eine im Bezirk Wandsbek und zwei im Bezirk Eimsbüttel: Dazu zählt ein städtisches Gewerbegrundstück im Bereich Krohnstieg in Niendorf unweit des Flughafens. Außerdem ist eine Fläche im Langenfelder Gewerbegebiet im Gespräch. Der Bezirk Wandsbek wird ein Grundstück in einem Gewerbegebiet am Plaggenkamp unweit der Bergstedter Chaussee vorstellen.

Die wichtigste Rolle spielt jetzt aber die Zomia-Gruppe, die das Abendblatt am Freitag traf. In einem kleinen Wald, durchaus idyllisch, liegt der Bauwagenplatz. Am 7. Dezember vergangenen Jahres hatten die Anhänger der alternativen Wohnform die Fläche eingenommen. Die Bezirksversammlung Mitte hatte einer Duldung lediglich bis Ende April zugestimmt, um Gespräche mit allen Beteiligten zu ermöglichen.

Aber hier stehen nur wenige Bauwagen. Robert zum Beispiel lebt in einem weißen VW-Bus, Student Simon in einem umgebauten Schaustellerwagen. "Wir haben hier ein urbanes, linksalternatives Lebens- und Wohnprojekt geschaffen", sagt Simon. Seine Mitstreiter und er sehen keinen Grund, sich von dem Gelände zu trennen: "Wir werden am Montag zwar an dem Gespräch teilnehmen, aber die Frage nach einer Alternativfläche stellt sich für uns nicht." Zunächst einmal müsste die Stadt schlüssige Argumente nennen, warum man dort wegsolle. Der 28-Jährige ist sicher: "Das dürfte schwierig werden, es gibt nämlich keine Gründe."

Für Bezirkschef Schreiber schon: "Die Anwohner in der Umgebung fühlen sich belästigt. Ein beliebter Spazierweg der Wilhelmsburger wird durch die Bauwagenbewohner beeinträchtigt." Außerdem würde einfach Müll in die Gegend geworfen und die Umwelt durch das Heizen mit Kohle verpestet. Es habe sich sogar der Stadtteilbeirat nicht für eine weitere Duldung ausgesprochen. Schreiber hat auch einen Vergleich parat: Es wäre nicht gerecht, dass jeder, der sein Auto falsch abstellt, ein Bußgeld bezahlen müsse, dass aber die Bauwagenbewohner eine öffentliche Fläche illegal blockieren und dort auch noch kostenlos leben.

Simon lässt Schreibers Argumente nicht gelten: "Die Vorwürfe sind absurd. Wir würden ja Miete an die Stadt bezahlen, wenn es zu einer Einigung kommt." Dass sich Anwohner gestört fühlen, kann er sich nicht vorstellen: "Hier wohnt doch gar keiner außer uns. Wir haben mit den Wilhelmsburgern ein gutes Verhältnis. Und hier liegt kein Müll herum." Unterdessen steht das Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in Jenfeld nicht mehr zur Diskussion. Anwohner und die CDU hatten sich gegen die Pläne der Stadt ausgesprochen, die Zomia-Gruppe dorthin umzusiedeln.

Doch selbst wenn sich die Stadt und die Bauwagenbewohner auf eine Alternativfläche einigen sollten, wird es noch eine Weile dauern. Denn einfach so umziehen geht nicht. "Egal, wie die Flächensuche ausgeht, ich erwarte, dass es eine ordentliche Gremienbeteiligung gibt und die Anwohnerinteressen angemessen berücksichtigt werden", sagte Andreas Dressel, Fraktionschef der SPD in der Bürgerschaft.