Der Hamburger Facharzt Wulf-Dieter Brockmann erhielt Gebührenbescheid über Neukauf der Stätte nach der Beisetzung seiner Mutter.

Hamburg. Wulf-Dieter Brockmann mochte zunächst nicht glauben, was er da schwarz auf weiß vor sich liegen sah. Zwei Tage, nachdem der Facharzt für Radiologie und Strahlentherapie seine Mutter auf dem Friedhof Ohlsdorf beerdigt hatte, bekam er den Gebührenbescheid zugeschickt. Darin wurde der Hamburger am 27. Mai aufgefordert, die Summe von 16.260 Euro an die Hamburger Friedhöfe - AöR - zu überweisen. Der Betrag sei "zahlbar innerhalb von vier Wochen", stand da weiterhin.

"Ich traute meinen Augen nicht und dachte natürlich, das sei ein fataler Irrtum", sagt Wulf-Dieter Brockmann. Bei genauerem Hinsehen jedoch fand er immerhin eine Erklärung, wie sich die gewaltige Summe für die Beerdigung zusammensetzte. Die Beisetzung seiner Mutter, die im Alter von 95 Jahren verstorben war, schlug mit 1980 Euro zu Buche. "Diese Forderung habe ich auch beglichen", sagt Brockmann.

Was ihn jedoch erst stutzig und dann wütend machte, war ein außerdem zu zahlender Betrag von 14.280 Euro. Zahlbar für den Neuankauf einer Familiengrabstätte für den Zeitraum von 25 Jahren, deren Nutzungsberechtigter Wulf-Dieter Brockmann nach dem Tod seiner Mutter im Mai geworden war.

Das Nutzungsrecht geht zurück auf den Grabbrief Nummer 37599, ausgestellt am 29. Dezember 1904 auf seinen Urgroßvater, Herrn Johann Heinrich Carl Brockmann. Die Friedhofsdeputation beurkundete damals, dass das Grab, bestehend aus zehn Grabstellen, auch für dessen Ehefrau sowie "dessen Kinder und Kindeskinder" überlassen worden ist. Und genau das ist nun der Streitpunkt: Was beinhaltet diese Formulierung?

Dass "Kinder und Kindeskinder" gleichzusetzen ist mit "Kinder und Enkel", hält Wulf-Dieter Brockmann für eine "gewagte freie Interpretation". Genau dieses aber hatte der Friedhof Ohlsdorf getan, weshalb er jetzt einen Neuankauf der Grabstelle für nötig befand. In seinem Widerspruch an den Friedhof moniert der Facharzt, dass man sich eine derartige Interpretation "in Ihrem Hause eigentlich kaum erlauben dürfe, da finanziell zu viel davon abhängt und nicht eine trauernde Familie, sondern Ihre Verwaltung hierüber erstklassig informiert zu sein hat".

Brockmann hat sich ebenfalls informiert und herausgefunden, dass in sämtlichen BGB-Bestimmungen des Erbrechts "Kinder und Kindeskinder" als Abkömmlinge erster Ordnung definiert werden, die in diesen Kreis "ausdrücklich immer die Urenkel mit einbeziehen". Das beträfe dann sogar auch noch ihn selbst und seine Ehefrau. "Und so hat es mir meine Mutter zu ihren Lebzeiten auch immer erzählt", sagt er.

Außerdem, so Brockmann, bezögen auch sämtliche lexikalischen Definitionen seit Mitte des 19. Jahrhunderts bei "Kinder und Kindeskindern" die Urenkel und teilweise sogar noch nachfolgende direkte Abkömmlinge mit ein. Sein Fazit: Sollte die "Interpretation" des Friedhofs juristisch unhaltbar und dennoch schon mehrfach durchgeführt worden sein, könnte das weitreichende Folgen haben.

In der Tat bestätigt der Friedhof Ohlsdorf, dass es sich hier um einen Präzedenzfall handelt. "Bisher hat in vergleichbaren Fällen niemand Widerspruch eingelegt", sagt Friedhofssprecher Lutz Rehkopf. Das mag auch damit zusammenhängen, dass es sich bei den 245.000 Gräbern in Ohlsdorf laut Rehkopf "in nur etwa 300 Fällen" um ähnlich größere und "sehr alte und kostbare" Familiengrabstätten wie das der Brockmanns handelt.

Lutz Rehkopf bestätigt, dass bei lexikalischen Definitionen von "Kinder und Kindeskinder" im Allgemeinen auch die Urenkel mit eingeschlossen seien. Bei dieser Grabstelle aber sei der Fall etwas komplizierter, da es zwischenzeitlich auch zwei Gesetzesänderungen gegeben habe. Deshalb werde der Friedhof Ohlsdorf diesen Fall jetzt rechtlich prüfen und dabei auch die juristischen Wortbedeutungen aus dem Jahr 1904 klären lassen.

Und so lange entstünden Wulf-Dieter Brockmann auch keinerlei finanzielle Nachteile, sagt Lutz Rehkopf, "da das Mahnverfahren bis zu einer juristischen Klärung ausgesetzt worden ist". Völlig ungeklärt ist, unabhängig vom juristischen Ausgang, ob Brockmann überhaupt bereit wäre, zehn Grabstellen bis zum Jahr 2036 neu anzukaufen. "Dieses hat der Friedhof mit der Zustellung des Gebührenbescheids einfach vorausgesetzt", sagt Brockmann, "ohne mit mir vorher darüber zu sprechen."