Weniger Schüler als angenommen müssen auf eine Stadtteilschule wechseln. Kritik am neuen System kommt von Walter Scheuerl.

Hamburg. Zum Halbjahr war die Liste an Wackelkandidaten unter den Sechstklässlern noch lang. 645 Gymnasiasten hatten mit ihrem Zwischenzeugnis eine sogenannte Abschulungswarnung bekommen - ihnen drohte aufgrund schlechter Noten der Wechsel auf eine Stadtteilschule. Doch wie die Schulbehörde jetzt errechnet hat, sind viele Zeugnisse zum Ende des Schuljahres anders ausgefallen: Nur noch 329 Schüler - weniger als die Hälfte der "verwarnten" - werden nach den Ferien auf eine Stadtteilschule abgeschult. Es bleiben also deutlich mehr Siebtklässler auf den Gymnasien als gedacht.

Eine Nachricht, die neben den betroffenen Schülern und Eltern auch Schulsenator Ties Rabe erleichtert zur Kenntnis genommen hat: Er freue sich, dass die Gymnasiallehrer die Leistungspotenziale der Schüler "offenbar sehr fair" abgewogen hätten, so Rabe. Schließlich gilt mit dem neuen Schuljahr ab der siebten Klasse ein Abschulungsverbot, Jahr für Jahr aufwachsend bis zur zehnten Klasse. Heißt: Wer es am Gymnasium in die siebte Klasse geschafft hat, der bleibt ab sofort auch dauerhaft dort. Es sei denn, der Schüler entschließt sich freiwillig für einen Wechsel. Die Entscheidung der Zeugniskonferenzen, einen Wackelkandidaten dennoch auf dem Gymnasium zu behalten, wurde laut Schulbehörde wohl auch durch das Angebot der neuen Lernförderung beeinflusst. Vom kommenden Schuljahr an stehen 7,8 Millionen Euro für Nachhilfe bereit - auch für Gymnasialschüler.

Eine "Erleichterung" ist diese Entwicklung auch für die Stadtteilschulen, die bei mehr Übergängern eine Reihe zusätzlicher Klassen hätten einrichten müssen. Das ist jetzt nur noch an vier Schulen notwendig, an den Stadtteilschulen Stellingen, Altrahlstedt, Poppenbüttel und Grete-Bergmann-Schule (Allermöhe). Alle anderen Schüler können in bestehende Klassen wechseln.

Doch es gibt eine Kehrseite: An den Gymnasien bleiben zum Teil sehr große siebte Klassen. "Das ist natürlich eine Belastung für die Schüler", sagt Behördensprecher Peter Albrecht. Man müsse sehen, wie sich das in Zusammenhang mit der Lernförderung auswirke.

Kritik gibt es allerdings schon jetzt. Walter Scheuerl, parteiloses Mitglied der CDU-Fraktion, nennt das Abschulungsverbot einen "Systemfehler", der dramatische Folgen haben kann. Er geht davon aus, dass die Mittel für die Lernförderung "hinten und vorne" nicht ausreichen werden. "Den Schülern am unteren Rand des Leistungsniveaus ist nicht damit gedient, dass sie mit unzureichenden Fördermitteln jahrelang mitgeschleppt werden", sagt Scheuerl. Am Ende werde der Abschluss dieser Schüler gefährdet - und damit deren ganzer Lebensweg. Einen Wechsel von Gymnasien auf Stadtteilschulen in der Mittelstufe weiterhin möglich zu machen fordert auch die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Anna von Treuenfels. "Unterschiedlichen Entwicklungen von Kindern wird man nicht durch flächendeckende Nachhilfe gerecht, sondern durch die Durchlässigkeit von Schulstrukturen", sagt sie. Anders sieht das der schulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Robert Heinemann: Die Zahlen zeigten, dass das Zwei-Säulen-Modell funktioniere und die Schullaufbahnen stabilisiere.

Insgesamt wechseln zum neuen Schuljahr übrigens 1282 Fünft- bis Zehntklässler die Schule.