IBA-Chef Uli Hellweg ist Baumeister des neuen Wilhelmsburg. Er spricht über die Chancen der Elbinsel und Immobilien zu Schnäppchenpreisen.

Hamburg. Hamburger Abendblatt: Herr Hellweg, Kritiker sagen, Sie haben zu wenig private Investoren finden können. Wie viele IBA-Projekte werden bis 2013 verwirklicht?
Uli Hellweg: Rund 50 IBA-Projekte sind in Planung, 19 davon sind bereits im Bau, drei sind fertig, und knapp zehn werden noch 2011 begonnen. Besonders in Wilhelmsburg läuft die Vermarktung mittlerweile sehr gut. Auf der Harburger Schlossinsel ist es teilweise noch schwierig.

Woran liegt das?
Hellweg : Jedenfalls nicht am mangelnden Interesse, sondern an der Komplexität des Standorts Harburg. Es gibt archäologische Probleme, Kaimauern und Lärmkonflikte.

Wie ist der Stand der Projekte?
Hellweg : Das Schaufenster der IBA ist klar Wilhelmsburg-Mitte. Die Wilhelmsburger Reichsstraße soll verlegt werden, Modellhäuser des 21.Jahrhunderts entstehen. Zudem ein Schwimmbad, die Sporthalle, das neue BSU-Gebäude. Hier entsteht der Nukleus eines neuen Stadtteils, der nach der IBA bis in den Norden der Insel, bis zum Spreehafen erweitert werden kann.

Nach der IBA soll es weitergehen?
Hellweg : Ja, die IBA 2013 soll nur den Aufschlag für die Entwicklung Wilhelmsburgs bieten. Der Rest kann sich später entwickeln.

An welchen Zeitraum denken Sie?
Hellweg : Bis 2020 sehen wir etwa ein Wohnungsbaupotenzial von 5000 Wohnungen. Das ist durch Untersuchungen nachgewiesen, also keine Luftnummer. Bis 2013 bringen wir allein im Zuge der IBA knapp 1300 neue Wohnungen auf den Weg, und bis zu 1000 werden fertig.

Wo sollen 5000 Wohnungen in Wilhelmsburg gebaut werden?
Hellweg : Ein ganz wichtiger Punkt ist die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße. Dadurch wird in der Mitte Wilhelmsburgs Platz geschaffen, denn wir wollen nicht an den grünen östlichen Rand der Flussinsel und nicht einen Konflikt mit der Hafenwirtschaft am Westufer.

Zum Bedauern der Wilhelmsburger, die sich einen Aufbruch zu den Ufern gewünscht hatten.
Hellweg : Das stimmt. Und wir öffnen den Stadtteil zum Beispiel durch den Wegfall des Zollzauns auch wieder stärker dem Wasser. Aber mit der Verlegung der Reichsstraße bietet es sich an, sich auf die Entwicklung der Mitte zu konzentrieren.

Bei der Verlegung der Reichsstraße ist der Zeitplan ungewiss. Die kalkulierten Kosten sind gestiegen, und 300 Anwohner entlang der neuen Trasse, der S-Bahn-Gleise, klagen. Bis 2013 wird die Verlegung wohl nicht klappen. Welchen Zeitplan halten Sie für machbar?
Hellweg : Ich denke, bis 2015 kann die Reichsstraße verlegt werden. Es kommt darauf an, wie ernst diese Beschwerden genommen werden. Sie ist der Schlüssel für Wilhelmsburg, denn sie verlärmt das Umfeld und nimmt Platz weg.

Wie viele Menschen werden im alten Trassenverlauf leben können?
Hellweg : Langfristig sehen wir hier ein Potenzial für bis zu 2500 Wohnungen.

Zurück zur Mitte. Warum ist sie das Schaufenster der IBA?
Hellweg : Dort wird der Eingang zur Internationalen Gartenschau sein, es werden zwei Millionen Besucher erwartet. Deswegen ist die Mitte, wo bislang 125 Millionen Euro von privater Seite investiert werden, unser Schaufenster. Die Waterhouses, die in einem Regenrückhaltebecken gebaut werden, oder die anderen Experimentalbauten unterstreichen den Ausstellungscharakter. Und was bislang noch nicht wahrgenommen wurde: Hier sind alle Grundstücke vermarktet.

Und haben sich für die Objekte schon Mieter oder Käufer gefunden?
Hellweg : In den Waterhouses zum Beispiel, wo es 34 Wohneinheiten geben wird, sind mittlerweile alle Wohnungen verkauft.

Wie groß ist das bisherige Investitionsvolumen der IBA insgesamt?
Hellweg : Wir planen 423 Millionen Euro von privaten Investoren; bisher unter Vertrag haben wir 312. Das hätte kaum jemand für möglich gehalten und ist ja nur der Anstoßeffekt bis 2013. Darunter bekannte Hamburger Namen, die Wilhelmsburg bislang gemieden haben.

Warum investiert man in Experimentalbauten?
Hellweg : Sie sind extrem innovativ. Hier wird die erste Bioreaktorfassade der Welt gebaut, wo Algen in dicken wassergefüllten Glasscheiben gezüchtet werden. Sie können als Biomasse gespeichert oder in die Industrie verkauft werden. Das ist der Ausstellungsteil der IBA. Diese Experimentalbauten können für die Bau- und Wohnungswirtschaft neue Märkte erschließen.

Wie ergeben Algen architektonisch Sinn?
Hellweg : Man kann sich das vorstellen wie Wintergärten. Zudem liegt da großes Potenzial. Enorme Mengen Biomasse könnten in Hausfassaden gewonnen werden. Denken Sie nur an die vielen ungenutzten Fassadenflächen in den Gewerbegebieten.

Kann man sagen, dass hier das modernste Stück Stadt Europas entsteht?
Hellweg : Ich würde das nicht bestreiten. So viel Innovation auf einem Fleck ist mir nicht bekannt.

Finden Sie denn in Hamburg die Kompetenz, so etwas zu verwirklichen?
Hellweg : Mittlerweile ist es so, dass Baufirmen sich nicht scheuen, in solche Innovationen zu investieren. Die Baufirma Otto Wulff etwa ist zu nennen.

Für Wilhelmsburger mutet einiges fremd an, oder?
Hellweg : Man darf nicht vergessen, dass wir auch eine Ausstellungsgesellschaft sind, die 2013 der internationalen Fachöffentlichkeit etwas bieten will.

Bieten Sie also Objekte, die man eigentlich in der teuren HafenCity erwarten würde?
Hellweg : In der HafenCity wird in der Tat energetisch und architektonisch vorbildlich gebaut. Andererseits sind in der HafenCity die Grundstückspreise deutlich höher.

Wie hoch sind denn die Mieten?
Hellweg : Der Investor der Waterhouses verkaufte etwa für 2500 bis 3400 Euro pro Quadratmeter, also unter dem Hamburger Durchschnitt. Rund 50 Prozent unserer Projekte sind Kaufobjekte, 50 Prozent Mietobjekte, wovon 30 Prozent geförderter Wohnungsbau ist.

Wie viel Baugenehmigungen sind beantragt?
Hellweg : Für fast alle Objekte in der Mitte. Und für den Großteil der bereits gesicherten Projekte trudeln die Genehmigungen jetzt ein. Die Vermarktung für das Gros beginnt nach dem Sommer.

Wer zieht denn in die IBA-Häuser?
Hellweg : Das kann man fast dritteln. Zum einen Stadtheimkehrer, die nach einer Zeit mit Kindern im Umland wieder urbaner leben wollen. Ein Drittel sind Wohnwertverbesserer aus Wilhelmsburg, die bislang eigentlich immer weggezogen sind. Darunter auch Migranten. Und dann gibt es noch Leute, die aus anderen Bundesländern oder aus teurer werdenden Szenevierteln Hamburgs nach Wilhelmsburg ziehen.

Sie planen noch mit dem spektakulären Bau der Behörde für Stadtentwicklung?
Hellweg : Ja, der wird 2013 fertig sein.

Und wer soll da einziehen, wenn die Behörde verkleinert wird?
Hellweg : Bis Emde Juli soll entschieden werden, wie die Nutzung des Baus endgültig aussehen soll. Meines Erachtens gehört dort die BSU rein.

Für Nord-Hamburger scheint Wilhelmsburg noch immer sehr weit weg. Eine weitere Elbbrücke wird es vorerst nicht geben. Sehen Sie noch eine Möglichkeit, die Elbinsel besser mit der nur acht Minuten entfernten Innenstadt zu verknüpfen?
Hellweg : Es muss über die HafenCity und den Kleinen Grasbrook passieren. Dort ist ein Brückenschluss möglich.

Wie sollte die IBA Hamburg in die Geschichte eingehen?
Hellweg : Wenn der Sprung über die Elbe geschafft wird, dann haben wir unser Ziel erreicht.

Ziehen Sie selbst nach Wilhelmsburg?
Hellweg : Nein. Wir hatten kurz überlegt, aber uns dann dagegen entschieden.