Behörden wollen die “Zomia“-Gruppe von Wilhelmsburg nach Jenfeld umsiedeln. Schulleiterin, CDU-Bezirkspolitiker und Bürger machen Front.

Jenfeld/Wilhelmsburg. Sie nennen sich "Zomia" und leben in zehn Bauwagen am Ernst-August-Kanal in Wilhelmsburg. Die Stadt will sie umsiedeln. Deshalb sind die 15 Bewohner zu einem Politikum geworden: Die Bezirke und die Stadtentwicklungsbehörde beschäftigen sich mit ihnen, Politiker, eine Gesamtschule und besorgte Anwohner protestieren gegen sie. Der Grund: Die "Zomias" sollen nach den Plänen der Stadt auf das Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in Jenfeld umziehen.

Das wollen Anwohner, Bezirkspolitiker und die benachbarte Otto-Hahn-Schule verhindern. Auch die Bauwagengruppe selbst will dort gar nicht hin. Bewohner Simon: "Diese Fläche hat die Stadt ausgesucht, ohne mit uns darüber zu sprechen. Es kommt für uns nicht infrage, einfach so dorthin umzusiedeln." Und der CDU-Bezirksabgeordnete Axel Kukuk sagt: "Eine Ansiedlung in Jenfeld ist den Anwohnern nicht zuzumuten." SPD und Grüne dürften hier nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden, sondern müssten in die Entscheidung mit eingebunden werden.

Die CDU hatte bereits in einer nicht öffentlichen Sitzung des Planungsausschusses der Bezirksversammlung Wandsbek beantragt, dass die Bauwagenbewohner nicht auf dem früheren Kasernengelände angesiedelt werden. SPD und Grüne hatten diesen Antrag jedoch abgelehnt. Die Ansiedlung wäre ohnehin auf zwei Jahre begrenzt, weil auf dem Gelände ein neues Wohnquartier entstehen soll.

Warum sollen die Bauwagenbewohner umziehen? Markus Schreiber (SPD), Leiter des Bezirksamts Mitte, das für Wilhelmsburg zuständig ist, sagt: "Die Bauwagen stehen auf einem Industriegelände, und dort ist Wohnen nicht gestattet. Außerdem hat sich die Bezirksversammlung gegen eine dauerhaften Nutzung ausgesprochen." Schreiber erwartet dringend eine Lösung: "Die Bauwagenleute leben jetzt illegal auf diesem Platz. Da die Herrichtung des neuen Platzes drei Monate dauern wird, hoffen wir auf einen einvernehmlichen Umzug der Bauwagen. Sonst wird geräumt."

In Jenfeld formiert sich der Protest. Dort steht Anwohner Klaus Buttgereit am Zaun des ehemaligen Kasernengeländes: "Seit Jahren sollen auf diesem Gelände Wohnungen und Reihenhäuser gebaut werden, um Jenfeld aufzuwerten. Wenn stattdessen jetzt ein Bauwagenplatz kommt, ist das eine echte Farce." Außerdem würden die Bauwagenbewohner den Platz sicherlich nicht freiwillig räumen, wenn dann endlich mit den Bauarbeiten begonnen werden soll, so Buttgereit weiter. Mit seiner Meinung ist er nicht allein, auch andere Anwohner wollen die Bauwagenleute nicht in ihrer Nachbarschaft haben.

Renate Wiegandt, Leiterin der Otto-Hahn-Schule, spricht sich ebenfalls gegen den Bauwagenplatz aus. In einem Brief, auch im Namen der Eltern und Lehrer, an die Parteien und das Bezirksamt schreibt sie: "Insbesondere die Absicht, die Bauwagen im südlichen Teil des Geländes direkt gegenüber der Schule aufzubauen, lässt uns befürchten, dass damit der Schulbetrieb ernsthaft gestört wird."

Bedenken hat auch Bezirksamtsleiterin Cornelia Schroeder-Piller (CDU): "Die Anwohner dürfen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, sondern müssen beteiligt werden, bevor hier über eine Ansiedlung von Bauwagen entschieden wird." Das Gelände in Jenfeld hatte ein Vertreter der Stadtentwicklungsbehörde am 26. Mai im Stadtentwicklungsausschuss präsentiert: "Unser politischer Wille ist, einen neuen Standort für die Bauwagengruppe Zomia zu finden. Eine Möglichkeit wäre auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in Jenfeld", sagte SPD-Stadtentwicklungsgexperte Andy Grote.

Die Entscheidung darüber, ob dort für begrenzte Zeit ein Bauwagenplatz eingerichtet werden soll, liegt dann beim Bezirk Wandsbek, in dem SPD und GAL die Mehrheit haben.

Die Sozialdemokraten scheinen aber skeptisch zu sein: "Natürlich müssen hier noch viele Fragen geklärt werden. Die Meinung der Bürger vor Ort ist dabei ein wichtiger Faktor", sagte Rainer Schünemann, Fachsprecher Stadtplanung der SPD-Bezirksfraktion. Es müsse genügend Zeit geben, um Alternativen zu prüfen.

Auch die Stadtentwicklungsbehörde räumt in einem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, ein, dass die Fläche in Jenfeld "nicht völlig frei von Problemen" sei. Deshalb hat die Stadt als weitere Fläche ein Gelände am Bönningstedter Weg in Schnelsen (Bezirk Eimsbüttel) im Auge. Dort liegt in unmittelbarer Nähe bereits ein Campingplatz.