Polizist Hans-Dieter Detjen von der Deutschen Polizeigewerkschaft stoppte die Demonstranten

Am Tag vor dem Hamburger Kessel war ich im Brokdorf-Einsatz. Dort hatte es in den Wochen vorher schon schwere Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei gegeben. Um zu verhindern, dass gewaltbereite Aktivisten Waffen oder Wurfgeschosse mit nach Brokdorf bringen, gab es Kontrollpunkte vor dem Ort. Ich erinnere mich, dass selbst meine Schwester, die damals mitdemonstriert hat, von Schikane sprach. Die Stimmung war deshalb sehr angestachelt. Die Demonstration in Hamburg war die Reaktion auf Brokdorf.

Ich hatte an diesem Sonntag nur wenige Stunden geschlafen, als es hieß, dass wir in die Innenstadt müssten. Es gab die Sorge, dass es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen würde, die Demonstranten Schaufenster in der Innenstadt einschmeißen. Während wir mit Blaulicht zum Heiligengeistfeld fuhren, dachte ich noch, dass es bestimmt nicht so lange dauern würde. Die Fußballweltmeisterschaft in Mexiko war gerade im Gange. Und ich hoffte, dass ich noch das Spiel Deutschland gegen Schottland sehen könnte.

Wir hatten die Anweisung, die Demonstranten zu stoppen und daran zu hindern, in die Innenstadt zu gehen. Als wir an die Glacischaussee kamen, sahen wir die Menschenmassen. Es musste jetzt sehr schnell gehen. Wir rannten los, viele Demonstranten schafften es aber wegzulaufen. Schließlich haben wir gut 800 von ihnen festhalten können. Darunter waren nicht nur Leute aus dem sogenannten schwarzen Block. Es waren auch welche aus dem bürgerlichen Spektrum dabei und Jugendliche. Es dauerte etwa 15 bis 20 Minuten, bis der Kreis um sie herum geschlossen war. Dann kam keiner mehr heraus.

Es gab die Ansage, jeden Einzelnen zu kontrollieren, also nach Waffen zu durchsuchen und die Personalien aufzunehmen. Es hatte aber niemand damit gerechnet, dass sich die Eingeschlossenen solidarisieren würden. Niemand wollte sich kontrollieren lassen. Es hieß: Entweder gehen alle zusammen oder niemand.

Und dann begann die große Warterei. Nach etwa drei, vier Stunden wunderten wir uns, dass nichts voranging. Es wurde hektisch telefoniert. Da es Sonntag war, waren viele politische Entscheider, darunter der Innensenator, nicht zu erreichen. Aber in der Stadt sprach sich schnell herum, was auf dem Heiligengeistfeld vor sich ging. So kamen etwa Mitglieder der GAL mit Getränkekisten und Döner, um die Demonstranten zu versorgen. Immer wieder skandierten Umstehende, die Demonstranten freizulassen.

Ich weiß von Berichten von Eingekesselten, die nicht zur Toilette gehen durften. Wir haben das bei uns eigenhändig entschieden und etwa Frauen aus dem Kessel gelassen. Die sind anschließend wieder zurückgekommen.

Irgendwann kamen die Eltern von den eingeschlossenen Jugendlichen, um sie abzuholen. Sie waren aufgebracht, weil wir ihre Kinder festhielten. "Das könnt ihr doch nicht machen", schimpften sie. Es stimmte ja auch. Das war ein Freiheitsentzug. Das wurde später auch richterlich so festgestellt.

Die ganze Lage wurde von Anfang an komplett unterschätzt. Man ging eigentlich von höchstens 250 Demonstranten aus. Richtig war sicherlich, die Gewaltbereiten daran zu hindern, in die Innenstadt zu gehen. Aber die Dauer der Maßnahme war einfach falsch. Heute würde man die Störenfriede aus der Gruppe herausholen. Die Polizei hat viel aus diesem Einsatz gelernt.

Erst nach Mitternacht wurde der Kessel aufgelöst. Beide Seiten waren total erschöpft. Es blieb noch ein Haufen in der Mitte des Kessels zurück. Dieser bestand aus Steinen, Zwillen, Stahlkugeln und Kleidung zum Vermummen. Und das WM-Spiel habe ich natürlich auch verpasst. Deutschland gewann 2:1.