Die Hamburger sind Schlusslicht in der Müllstatistik. Jeder Bürger der Hansestadt produziert im Jahr 339 Kilogramm Hausmüll.

Hamburg. Essensreste, Verpackungsmüll, Gartenabfälle und Altpapier - unsere Gesellschaft produziert täglich tonnenweise Abfall. Vieles davon kann durch Recycling sinnvoll wieder verwendet werden. Deshalb gibt es außer den Hausmülltonnen Papiertonnen (mit blauem Deckel), Wertstofftonnen (mit gelbem Deckel) und grüne Biotonnen. In Hamburg aber viel zu wenige.

Neben dem Umweltschutz hat das Trennen von Müll noch einen weiteren Vorteil, denn wer die Hausmüll-Menge reduziert, kann Kosten sparen. Sprich: Wer Milchtüten, Zeitschriften und Kartoffelschalen in die dafür vorgesehenen Behälter wirft, kommt mit einer kleineren Hausmülltonne aus und zahlt weniger Gebühren.

Eigentlich ganz einfach. Doch ausgerechnet Hamburg, Europas Umwelthauptstadt 2011, ist Deutschlands Müllproduzent Nummer eins. Laut Müllstatistik des Statistischen Bundesamts produziert jeder Hamburger im Jahr 339 Kilogramm Hausmüll - weit mehr als Berliner (262 Kilogramm), Bremer (243) oder Saarländer (240). Zum Vergleich: Der Bundesdurchschnitt liegt bei 196 Kilogramm, am wenigsten Müll fällt mit 142 Kilogramm pro Kopf im Musterländle Baden-Württemberg an.

Hartmut Soltau hat bisher im Bundesland Schleswig-Holstein gewohnt, das laut Müllstatistik mit 225 Kilo pro Kopf den sechsten Platz belegt. Vor Kurzem ist er nach Hamburg gezogen. "Die Möglichkeit zum Recycling unterscheidet sich in den beiden Ländern wie Tag und Nacht", sagt er. Sein früherer Vermieter hat ihm Bio-, Papier- und Wertstofftonne zur Verfügung gestellt - an seinem jetzigen Wohnort, einem Mehrfamilienhaus in Eimsbüttel, gibt es nur Hausmülltonnen.

Das ist keine Seltenheit. "Noch immer stehen vielen Mietern in Hamburg weder Bio- noch Papiertonnen zur Verfügung", sagt Rüdiger Siechau von der Hamburger Stadtreinigung. "Das ist nicht nur schlecht für Umwelt- und Klimaschutz, sondern auch für den Geldbeutel, denn die von den Mietern zu tragenden Nebenkosten sind so oft höher als notwendig." Heinrich Stüwen vom Grundeigentümerverband Hamburg verteidigt die Besitzer von Mehrfamilienhäusern: "Ohne ein Pauschalurteil fällen zu wollen, kann man doch sagen, dass viele Mieter nicht auf eine disziplinierte Mülltrennung achten."

Weil die Hauseigentümer befürchten, dafür haften oder den Müll selber sortieren zu müssen, lassen sie das Aufstellen von Bio-, Wertstoff- und Papiertonne lieber gleich bleiben. "Bestehen Mieter darauf, dass ihnen Bio-, Papier- oder Wertstofftonne zur Verfügung gestellt werden, sollen sie sich mit ihrem Vermieter in Verbindung setzen", sagt Siegmund Chychla vom Mieterverein Hamburg. Man müsse allerdings sicherstellen, dass der, der Müll trennt, auch belohnt wird - eine Reduzierung der Hausmüllkosten müsse demnach an die Mieter weitergegeben werden.

Doch es gibt auch Hamburger Wohnungsbaugesellschaften, die sich für den Umweltschutz engagieren. So setzt die Saga in den meisten Wohnanlagen "Müllmanager" ein: Sie erklären den Mietern das Mülltrennsystem und helfen, Fehlbefüllungen zu vermeiden. "Dadurch werden Hausmüllmenge und Kosten reduziert", sagt Saga-Sprecher Mario Spitzmüller. "Die Ersparnis geben wir zu gleichen Teilen an Mieter und Müllmanager weiter." Auch der Bauverein der Elbgemeinden will die Müllmenge reduzieren. Er hat gerade in 400 Haushalten Biotonnen aufgestellt - zunächst nur versuchsweise. Wenn die Mieter mitmachen, sollen die grünen Tonnen aber einen festen Platz in der Wohnanlage bekommen.

Um den Anreiz zur Mülltrennung für die Hamburger größer zu machen, setzt sich die Umweltbehörde für niedrigere Gebühren ein. Nach Angaben von Sprecher Björn Marzahn sollen die Kosten für die Biotonne künftig um zwei drittel von etwa 7,50 Euro auf rund 2,50 Euro im Monat gesenkt werden. "Das nützt alles nichts, wenn die Hausbesitzer nicht die entsprechenden Tonnen aufstellen", sagt der Eimsbüttler Hartmut Soltau. Seine Idee: eine Verordnung, die den Eigentümer verpflichtet, seinen Mietern das Recycling zu ermöglichen. So eine Richtlinie sei laut Abfallgesetz möglich, sagt Jens Ohde, Geschäftsführer der Entsorgungsgesellschaft Veolia-Umweltservice. Und wohl auch notwendig, um die Hausbesitzer zum Aufstellen der Tonnen zu bewegen: Die können die Investition für die Stellplätze nämlich nicht auf die Mieter umlegen. "Eine solche Recycling-Verordnung kann nur der Gesetzgeber erlassen", sagt Reinhard Fiedler, Sprecher der Stadtreinigung. Die Umweltbehörde reagiert verhalten: Dort, sagt Sprecher Marzahn, sei eine solche Verordnung nicht geplant.

Dass die Hamburger in Sachen Müllproduktion an der Spitze liegen, ist für Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts für Umwelttechnik und Energiewirtschaft an der TU Harburg, nicht das entscheidende Problem. "Es geht nicht um die Menge des Mülls, sondern darum, wie das genutzt wird, was in ihm steckt." Ähnlich wie schon seit Jahrzehnten aus Klärschlamm Biogas gewonnen wird, soll auch mehr Bioabfall energetisch und, soweit möglich, stofflich genutzt werden. "Das", sagt Kaltschmitt, "ist eine ökonomische und ökologische Notwendigkeit."

Zwar wird auch heute schon aus dem Müll, der in den Anlagen der Stadtreinigung verbrannt wird, Energie gewonnen, doch belastet das den CO2-Haushalt. Generell gilt: besser verwerten als verbrennen. Umso erfreulicher, dass die Umweltbehörde plant, ab dem 1. Januar 2011 - also im Jahr der Umwelthauptstadt - in ganz Hamburg eine Wertstofftonne einzuführen, in der künftig nicht nur Verpackungsmüll landen darf, sondern auch Gummienten, Legosteine oder Plastikeimer.

Umweltbewusster als beim Mülltrennen sind die Hamburger beim Wasserverbrauch. Nach Angaben von Hamburg Wasser verbrauchte jeder Hamburger im vergangenen Jahr pro Tag rund 108 Liter Wasser - weniger als der Berliner (111 Liter) und Münchener (125 Liter). Trotzdem kamen 116 Millionen Kubikmeter sogenanntes Schmutzwasser zusammen, die Menge des gesamten Hamburger Abwassers (Schmutzwasser und Niederschlag) betrug 168 Millionen Kubikmeter.

Diese Wassermenge wird in den Kläranlagen Köhlbrandhöft und Dradenau mechanisch, biologisch und chemisch gereinigt. die Abfallprodukte werden verwertet oder entsorgt. "In Hamburg ist das Wasser ebenso belastet wie in jeder Großstadt", sagt Joachim Behrendt, Abwasser-Experte der TU Harburg. "Die Abwasserreinigung funktioniert aber gut, die Abläufe in die Elbe erfüllen alle gesetzlichen Vorgaben."

Das Abwasser wird sogar energetisch genutzt: Mit dem Klärschlamm wird in sogenannten Faulbehältern Methan (Biogas) erzeugt, aus dem in Blockheizkraftwerken Ökostrom und Prozesswärme entsteht. Danach wird der Klärschlamm getrocknet und verbrannt, wobei er einen ähnlichen Brennwert wie Braunkohle ereicht. Als CO2-neutraler und umweltschonender Brennstoff liefert er zusätzliche Elektrizität und Prozesswärme - und deckt den Bedarf der Kläranlage an Wärme vollständig, an Strom zu 60 Prozent.