Die Künstlerin Stefanie Kleschies streitet für den Erhalt des historischen Gebäudes in Hammerbrook. Eigentümer Vattenfall will es abreißen.

Hammerbrook. Am Ufer der Bille ist der Kampf um ein historisches Backsteingebäude entbrannt. Es geht um die 1900 erbaute Westhalle des ehemaligen Kraftwerks Bille, einen wichtigen Bau der Industriegeschichte und: das erste E-Werk Hamburgs.

Die Frontlinien dieses Kampfs sind gut erkennbar, die Rollen von David und Goliath klar verteilt: Der Eigentümer Vattenfall will das Haus in Hammerbrook aus Wirtschaftsgründen abreißen. Stefanie Kleschies, die letzte, mittlerweile gekündigte Mieterin wehrt sich; auch Denkmalschutzbehörde, Künstler, die städtische "Kreativ Gesellschaft" und der Bezirk Mitte wollen das Haus am Nordufer der Bille erhalten. Eine Konstellation mit Parallelen zur jüngsten Geschichte des Gängeviertels, das 2009 von 200 Künstlern besetzt und letztendlich gerettet wurde. Das Happy End dort sorgte für ein Umdenken beim Bewahren alter Gebäude.

Hinter der grauen Eisentür des Kraftwerks liegen Holzbalken, um sie von innen verriegeln zu können. Kleschies achtet peinlich genau auf die Verriegelung, wenn sie allein in den Hallen arbeitet oder Gäste und Kunden empfängt, weil es schon Vandalismus gab. Noch sind diese Räume ihr Atelier: ein Traum für Fotografen, Künstler und Designer, weil durch die mannshohen Fenster viel Licht in die 1600 Quadratmeter großen Stockwerke einfällt und die meterdicken Wände - zumindest im Sommer - ein angenehmes Klima schaffen. "Strom und Heizung sind seit 2009 abgedreht, nur ein kleines Notstromaggregat hilft", sagt die Stylistin.

Überall hat Kleschies große Bottiche aufgestellt, Planen gespannt oder Leitungen gelegt, um den Regen abzuleiten oder aufzufangen. "Es sieht so aus, als wolle Vattenfall das Gebäude verfallen lassen, um einen Abriss einfacher zu erreichen", sagt die 33-Jährige, die mit ihrem im Mai verstorbenen Partner, dem Fotografen Klaus Thumser, ein Geschoss am Anton-Ree-Weg aufwendig renovierte und dort eine Foto- und Design-Firma etablierte. "Wir haben das Haus gleich Anton genannt, weil es so viel Geborgenheit bietet." Es gab auch schon ein künstlerisches Nutzungskonzept für die hohen Räume, sie nannten es "Cathedrals of Power".

Auch die Kulturbehörde will Anton unter Denkmalschutz stellen; das Verfahren sei eingeleitet und damit der Abriss vorerst verhindert. Für den Chef des Denkmalamtes, Frank Pieter Hesse, gehört das Ensemble zu "den markantesten Bauten im Ortsbild von Hammerbrook". Er sei S-Bahn-Passagieren ein Begriff, die ihn bei jeder Fahrt dorthin passieren. "Das Ensemble bildet heute ein anschauliches Zeugnis der Hamburger Industriegeschichte. Es ist die älteste erhaltene historische Kraftwerksanlage in Hamburg und macht die technik- und baugeschichtliche Entwicklung im Industriebau im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts deutlich." Dazu gehören weitere Gebäude, die bereits von Kreativen genutzt werden.

Stefan Kleimeier, Sprecher von Vattenfall Hamburg, hält die Abrisspläne für legitim und verweist auf die "schlechte Bausubstanz" des alten Gebäudes. "Rein wirtschaftlich ist die Vermietung nicht darstellbar", sagt er. Weil man viel Geld investieren müsse, das sich nicht durch die Mieteinnahmen rentiere. Kleimeier argumentiert rein ökonomisch: "Hier geht es nicht um Liebhaberei, man muss ein Gebäude vermietet kriegen." Der Energiekonzern werde aber natürlich die Entscheidung der Denkmalbehörde abwarten. "Konkrete Verkaufspläne" gebe es bisher ohnehin nicht.

Für den Konzern ist der Streit um Antons Zukunft also ein kaufmännischer Vorgang. Für die Künstlerin und Gängeviertel-Sprecherin Christine Ebeling, die ihr Atelier um die Ecke hat, geht es um mehr - um die Verbundenheit mit diesem Stadtteil. Deswegen will sie Anton zum "Kulturschutzgebiet" erklären. "Ich bin hier zutiefst verwurzelt und möchte meinen Stadtteil wiedererkennen können. Hier ist früher die Lebensader von ganz Hamburg gewesen. Dieses Stück Geschichte darf nie weichen."

Auch die Umweltbehörde ist mit dem Gebäude befasst, denn im Boden seien Altlasten einer Wäscherei, die dort jahrzehntelang betrieben wurde. Behördensprecher Enno Isermann sagt, man sei darüber mit Vattenfall im Gespräch. Das ist auch Egbert Rühl, der Chef der "Kreativ Gesellschaft": "Wir wollen dort Kreative ansiedeln."

Die Fronten sind, wie damals beim Gängeviertel, klar definiert. Und auch hier und jetzt steht ein bedrohlicher Termin im Raum: Bis zum 30. September bleibt Kleschies laut Vattenfall noch eine Frist. Ihr und dem Gebäude, das sie so gern Anton nennt.