Nur gute ökonomische Daten retten Obama, meint der Wirtschaftsexperte, solange konservative Eiferer in der Krisenbekämpfung des Staates einen Angriff auf die Freiheit sehen

In den USA gehen die Lichter aus. Nicht nur symbolisch, sondern tatsächlich. So finster sieht Paul Krugman die Zukunft Amerikas. In seinem weltweit beachteten Blog in der "New York Times" wird der Wirtschaftsnobelpreisträger und Obama-Berater nicht müde, seinen Pessimismus zu verkünden. "In Amerika wird es dunkel", lautet sein Credo. Nicht nur, weil in Colorado Springs, mit rund 400 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des US-Bundesstaates Colorado, neuerdings ein Drittel der Straßenbeleuchtung abgeschaltet wird, um Steuergelder zu sparen. Vielmehr ärgert Krugman, dass die Sparwut der öffentlichen Haushalte keine Tabus mehr kennt; dass Schulen geschlossen, Lehrkräfte entlassen werden; dass Straßen verlottern und Parks verrotten; dass Subventionen an Not leidende Firmen gestrichen und sozialpolitische Hilfszahlungen an die Armen gekürzt werden; dass die USA in einer Krise stecken, die weit über die Wirtschaft hinausragt; dass die Mittelschicht ihre ökonomische Grundlage verliert, was letztlich - hier liegt die Dramatik - für viele den amerikanischen Traum zum Albtraum werden lasse.

Krugman kennt die Schuldigen: Es war die kapitalistische Revolution, die mit Ronald Reagan 1981 begann und mit George W. Bush 2008 endete. Der Sieg des Marktes gegen den Staat habe die USA auf eine "unbeleuchtete, ungepflasterte Staubstraße ins Nirgendwo" geführt.

Der amerikanische Traum verspricht den sozialen Aufstieg vom armen Schlucker zum wohlhabenden, angesehenen Millionär. Selbst wenn für die meisten die Wirklichkeit weit weg vom Traum liegt, und der Fahrstuhl nach oben stottert: Es gibt viele Vorbilder, die dem Traumbild entsprechen. Barack Obama ist das herausragende Beispiel für einen politischen Aufsteiger. Er bleibt die Hoffnung vieler Benachteiligter.

Richtig ist aber auch, dass sich in den USA die Schere zwischen Reich und Arm weiter öffnet. Wer besser ausgebildet ist, kommt schneller nach oben. Wer unqualifiziert bleibt, hat ein mehr als schweres Leben. Wie ungleich die Verhältnisse geworden sind, zeigen umzäunte, streng bewachte Einfamilienhaus-Gettos der reichen Oberschicht. Noch stärker sind die Differenzen innerhalb der Städte. So zerfällt die Bundeshauptstadt Washington DC in einen idyllischen Nordwesten und einen durch alltägliche Schießereien, brutale Überfälle und hohe Kriminalität gepeinigten Südosten. Wenige Meilen von Weißem Haus und Kapitol entfernt, ist abends in öffentlichen Verkehrsmitteln niemand mehr wirklich sicher.

Viele Amerikaner träumen heute schlechter als in den goldenen 1990er-Jahren. Manche haben drückende Schulden. Nicht nur weil sie im Überschwang und aus europäischer Sicht oft in naivem Optimismus überteuerte Häuser gekauft haben und die Hypotheken oft nicht mehr bezahlen können. Oft müssen auch Kredite zurückbezahlt werden, die in besseren Zeiten für Autos, Möbel und Geräte, aber auch zur Finanzierung von Schulgeldern oder Studiengebühren aufgenommen wurden.

Dennoch: Der amerikanische Traum lebt. Das sieht man am starken Zulauf, den eine konservative Protestpartei erhält. Angeführt von Sarah Palin, der republikanischen Kandidatin von 2008 für die Vizepräsidentschaft, sehen die Anhänger der Tea-Party-Bewegung die Schuld für die Abkehr von jenen Werten und Verhaltensweisen, die Amerika wirtschaftlich an die Weltspitze geführt haben. Sie werfen Obama Verrat an Idealen vor. Wieso soll sich der Staat um den wirtschaftlichen (Miss-)Erfolg oder die Gesundheit Einzelner kümmern? Wieso soll der eine für das Unglück oder die Krankheiten anderer bezahlen? Maximiere die individuelle Freiheit und minimiere den staatlichen Einfluss, das ist das oberste Gebot. Eigenverantwortliches Tun oder Lassen soll die Regel, staatlicher Zwang die ungeliebte Ausnahme sein.

So erkennen konservative Eiferer in der Krisenbekämpfung einen Angriff dunkler Mächte auf die Freiheit. Ob die Demokraten diese oft unter der Gürtellinie platzierten republikanischen Angriffe bei den Kongresswahlen im November abwehren können, ist eine spannende Frage. Die andere ist, ob es Obama gelingt, den amerikanischen Traum wiederzubeleben. Geht es der Wirtschaft mit Obama besser oder schlechter? Diese Frage wird alles entscheiden. "It's the economy, stupid." So simpel ticken amerikanische Wähler.