In Hamburg gibt es 9000 sogenannte Ein-Euro-Jobber. Für sie steht ein Budget von 50 Millionen Euro bereit. Nutzen ist umstritten.

Hamburg. Ein weißer Kreis auf schwarzem Stoff soll das Licht im Dunkeln symbolisieren. Tesfaye Belay legt das Material auf seiner Nähmaschine zurecht, zieht bedächtig eine Naht nach der anderen. Es ist eine Auftragsarbeit, die er nach den Vorgaben von Werkstattleiterin Ines Schönemann ausführt. "Es geht hier nicht um Selbstverwirklichung", hat sie gesagt. Sondern darum, dass Bestellungen in bestimmter Zeit fertig sein müssen. Kein Problem für Belay, 52. Er stand jahrelang als Elektriker im Arbeitsleben, bis er wegen körperlicher Probleme seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Für viele seiner Kollegen in der Werkstatt Nähgut des Bildungsträgers Grone-Netzwerk ist diese Einsicht aber ein langer Lernprozess.

Am Ende dieses Prozesses steht bei 15 Prozent der 9000 sogenannten Ein-Euro-Jobber in Hamburg eine richtige Anstellung. Auch deshalb wächst die Kritik an den Arbeitsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose. Weitere Gründe: Fälle von Missbrauch, angeblich unzumutbare Tätigkeiten, die Kosten. Allein in Hamburg stehen jährlich 50 Millionen Euro aus Bundesmitteln dafür bereit. Bundesweit könnten 1,5 Milliarden Euro gespart werden, wenn die Maßnahmen abgeschafft würden. Das hat der Handwerksverband vorgerechnet, der befürchtet, dass die Billigarbeiter Aufträge wegnehmen. Der Städte- und Gemeindebund warnt, Stellen für Geringqualifizierte würden verdrängt. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) protestierte jüngst dagegen, dass "jedes Jahr 750 000 Menschen durch Ein-Euro-Jobs geschleust werden" - kein anderes Förderinstrument habe so geringe Eingliederungseffekte. Eine Weiterbildung ist nach DGB-Einschätzung wirkungsvoller.

Jana Glander möchte sich zur Altenpflegerin umschulen lassen

Die Kinderhose, die Jana Glander aus blauem Stoff näht, wird sich gut verkaufen. Bedürftige reißen sich um die Kollektion unter dem Namen Grönlein, die die Beschäftigten der Textilwerkstatt herstellen. Warum sie ausgerechnet an der Nähmaschine gelandet ist, weiß Glander nicht. Sie ist 32 Jahre alt, Friseurin und lebt allein mit ihrer Tochter in Mümmelmannsberg. Nach drei Jahren Elternzeit wollte sie wieder arbeiten. "Zu Hause wäre ich verblödet", sagt sie. Ihr Berufswunsch: Altenpflegerin. Friseurin kommt nicht mehr infrage, sie ist gegen Chemikalien allergisch. Am liebsten würde sie eine Umschulung machen und zurück nach Mecklenburg-Vorpommern ziehen, zu ihren Eltern. "Da gibt es einen Riesenbedarf an Altenpflegern, die würden mich bestimmt sofort einstellen", sagt Glander. Stattdessen näht sie jetzt ein paar Monate lang Kinderhosen. Das gibt ihr immerhin die Zeit, persönliche Probleme zu klären, etwa den Sorgerechtsstreit um die Tochter. Auch zu Hause näht sie neuerdings - eine Karriere als Schneiderin könne sie sich aber nicht vorstellen.

Darum geht es in der Textilwerkstatt auch gar nicht. Tesfaye Belay ist einer der wenigen unter den 32 Beschäftigten, die nach der maximal zehnmonatigen Arbeitsgelegenheit als Schneider arbeiten wollen. "Wir wollen die Menschen aus dem schwarzen Loch herausholen", sagt Werkstattleiterin Ines Schönemann. Es gehe darum, nach jahrelanger Erwerbslosigkeit wieder regelmäßig zur Arbeit zu gehen. Motiviert zu werden, sich wieder als Teil der Gesellschaft zu fühlen, Selbstbewusstsein aufzubauen.

"Die Maßnahmen sind halb Sozialarbeit, halb Integration", sagt Horst Weise von der Arge Hamburg, die die Langzeitarbeitslosen betreut. Wer sich mit dem Betreuer für eine Arbeitsgelegenheit entscheidet, erhält weiter sein Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Zusätzlich wird jede Stunde mit einer Summe zwischen 1,40 und zwei Euro vergütet, Alleinerziehende erhalten zum Beispiel mehr als Jugendliche. Neben den maximal 30 Wochenstunden sollen sich die Arbeitslosen bewerben, tippen lernen oder einen Schulabschluss machen. "Die Betreuer entscheiden je nach Einzelfall", sagt Weise. Viele Arbeitslose hätten Schulden, andere seien süchtig oder krank. Auch deshalb brechen vor allem junge Leute die Arbeitsgelegenheiten oft ab.

Sandra Steckelberg wünscht sich einen Job bei Budnikowsky

Für Sandra Steckelberg ist die Arbeit an der Nähmaschine ein Licht in der Dunkelheit. Die gelernte Tischlerin ist 28 Jahre alt - und seit acht düsteren Jahren arbeitslos. Seit März arbeitet sie in der Textilwerkstatt, bis Januar des nächsten Jahres darf sie bleiben. Das Hantieren mit Stoffen, Mustern, Nadel und Faden tut ihr gut. Ebenso die hellen Räume, das kreative Chaos zwischen Holzregalen, Nähmaschinen und Babymützen. Und das Zusammensein mit Gleichgesinnten, die Betreuung. Steckelberg lächelt. "Es gibt mir so viel Selbstbewusstsein, Sachen herzustellen, die echt verkauft werden." Das Künstlerische liegt ihr. Sie fotografiert gern, hat eine eigene Website. Ihre Wünsche an das Arbeitsleben sind trotzdem denkbar bescheiden: "Ich möchte am liebsten bei Budnikowsky arbeiten", erzählt sie. Aufräumen und Regale füllen oder so.

Ihre Chancen auf eine Anstellung liegen laut Statistik bei 15 Prozent.