Ein UN-Bericht zeigt, wie hoch entwickelt Länder sind. Während Simbabwe den größten Sprung macht, sackt Libyen wie kein anderes Land ab. Auch im gefährlichsten Land der Welt droht eine Abwärtsspirale.

Insgesamt 262 Seiten umfasst der aktuelle Report des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) über die menschliche Entwicklung.

In fünf Kapiteln und 16 Tabellen lässt sich für 187 Staaten ablesen, ob es mit Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und Sicherheit bergauf oder bergab geht.

Inge Kaul, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen und frühere Report-Herausgeberin beim UNDP in New York, hat sich die Zahlen für die „Welt“ genau angeschaut. Das sind die Tops und Flops.

Simbabwe macht vier Plätze gut

Simbabwe hat den größten Sprung nach vorn gemacht und verbesserte sich beim „Index der menschlichen Entwicklung“ (HDI) als einziges Land um vier Plätze. Der außergewöhnliche Wert lässt sich vor allem auf einen Anstieg der Lebenserwartung zurückführen – in nur einem Jahr um 1,8 Jahre.

Allerdings hatte es zuvor einen dramatischen Einbruch gegeben. Vor gut zehn Jahren lag die Lebenserwartung nur noch bei knapp 43 Jahren. Offensichtlich hat die Regierung seither in die Gesundheitsversorgung investiert und vor allem die Sterblichkeit der Mütter und ihrer Säuglinge gesenkt.

Die Lebenserwartung liegt inzwischen wieder bei 58 Jahren. Inge Kaul spricht vorsichtig von einer „Erholung“. Die kommenden Jahre müssten erst noch zeigen, ob sich der Trend fortsetzt. Denn insgesamt belegt Simbabwe beim HDI gerade einmal Platz 156 und gehört damit zu den Ländern mit niedriger menschlicher Entwicklung.

Mongolei mit Einkommensgewinn

Die Mongolei konnte um drei Plätze aufsteigen und erreicht im HDI-Ranking jetzt Platz 103, zusammen mit Turkmenistan und den Malediven. Inge Kaul erklärt das Aufrücken vor allem mit einem „Einkommensgewinn“.

Die Mongolei hat so viele Bodenschätze wie kaum ein anderes Land der Welt. Kohle, Gold und Kupfer gehören dazu, aber auch sogenannte Seltene Erden, ohne die es keine Smartphones und Computer geben würde. Die Nachfrage nach diesen Ressourcen steigt.

Auch Deutschland hat gerade erst eine Rohstoffpartnerschaft mit der Mongolei geschlossen. Wenn sich das Land weiter so entwickelt, können in ein paar Jahren Verbesserungen bei Bildung und Gesundheitsversorgung folgen – und damit auch ein Platz weiter vorn im HDI-Ranking.

Island sticht im Umweltschutz heraus

Island belegt im HDI-Ranking unverändert einen soliden 13. Platz unter den 49 Ländern mit sehr hoher menschlicher Entwicklung. Was die Umwelt betrifft, sticht Island aber deutlich heraus. Seit 1990 hat sich die Waldfläche auf der kargen Insel um 254 Prozent vergrößert. Das ist mehr als in jedem anderen Land der Welt.

Allerdings, räumt Inge Kaul ein, sei die Entwicklung von einem sehr geringen Niveau ausgegangen. Als Ende des 9. Jahrhunderts die ersten Siedler nach Island kamen, bedeckten Birkenwälder noch ein Drittel der Fläche. Zuletzt war weniger als ein Prozent der Insel bewaldet.

Ein Forstgesetz fördert nun die Aufforstung. Vor allem Aspe, Zitterpappel und sibirische Lärche gedeihen in dem rauhen isländischen Klima. Die Forstwirtschaft schafft zudem neue Arbeitsplätze, etwa bei der Waldpflege oder in Sägewerken.

Politisch desolate Lage in Libyen

Libyen ist wie kein anderes Land im HDI-Index abgesackt – um fünf Plätze auf Rang 55. Ursache dafür ist vor allem die anhaltend desolate politische Lage. Erst vor wenigen Tagen äußerte sich das Auswärtige Amt in Berlin besorgt über die Gewalt in Libyen. „Die Wahl eines neuen Parlaments und die Arbeit an einer neuen Verfassung sind essentiell, um eine friedliche Ordnung in Libyen herzustellen“, hieß es.

Mitte Mai begannen in Libyen die schwersten Kämpfe zwischen rivalisierenden Milizen seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi vor drei Jahren.

Der regelrechte HDI-Absturz lässt sich nach Einschätzung Inge Kauls mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch als Folge des politischen Umsturzes erklären. Wenn die Situation anhält, wird Libyen im HDI weiter abrutschen. Das gilt auch für Syrien und die Zentralafrikanische Republik, wo Bürgerkriege bereits zu sinkenden Einkommen führen.

Honduras ist gefährlichstes Land der Welt

Honduras ist das gefährlichste Land weltweit. Im HDI-Ranking rangiert das Land zwar noch im Bereich der mittleren menschlichen Entwicklung auf Platz 129. Doch bei den Mordfällen pro 100.000 Einwohner liegt das Land mit 91,6 Opfern pro Jahr weit vorn vor El Salvador (70,2), der afrikanischen Elfenbeinküste (56,9), Venezuela (45,1) und Jamaika (41,2).

Die Daten zeigen, dass Mittelamerika zu einer der gefährlichsten Regionen der Welt geworden ist. Inge Kaul warnt vor den dramatischen Folgen hoher Mordraten für die Entwicklung. Sie hemmen und verhindern wirtschaftliches Wachstum.

Wer es sich leisten kann, verlässt das Land. So wandern vor allem Akademiker und gut ausgebildeten Fachkräfte ab. Investoren meiden unsichere Länder, auch Touristen bleiben aus. Eine Abwärtsspirale beginnt. Ländern wie Honduras droht ein weiteres Abrutschen im HDI-Ranking.

Deutschland schmiert bei geschlechtsspezifischer Entwicklung ab

Deutschland belegt im HDI-Ranking unverändert den sechsten Platz hinter Norwegen, Australien, der Schweiz, den Niederlanden und den USA. Die Lebenserwartung beträgt 80,1 Jahre, die Schulbesuchsdauer liegt bei durchschnittlich 12,9 Jahren. Das sind sehr gute Werte.

Doch an einem Punkt schmiert Deutschland geradezu ab. Erstmals wurde in diesem Jahr der „Index der geschlechtsspezifischen Entwicklung“ ermittelt. Und da schafft es das Land nur auf Platz 61 – vor allem, weil das Einkommen zwischen Frauen und Männern weiter auseinanderklafft als in vielen anderen Ländern.

Die Slowakei belegt in diesem Ranking den ersten Platz, gefolgt von Argentinien und Venezuela, die sich den zweiten Platz teilen. Inge Kaul sieht dieses Ranking denn auch eher skeptisch: „Der geschlechtsspezifische Index sagt nichts über den tatsächlichen Entwicklungsstand eines Landes aus.“