Die Bertelsmann Stiftung schlägt Alarm: In keinem anderen neuen Bundesland gibt es so wenig Erzieher pro Kind wie in der Hansestadt. Mehr als 3000 Vollzeitkräfte würden fehlen.

Gütersloh/Hamburg. An den Kitas in Hamburg muss sich eine Erzieherin um so viele Kleinkinder kümmern wie in keinem anderen alten Bundesland. Für jeweils 5,4 Mädchen und Jungen im Alter bis zu drei Jahren ist eine Erzieherin in der Hansestadt zuständig - theoretisch, denn in der Praxis sei der Schlüssel sogar noch schlechter, weil ein Teil der Arbeitszeit auch für Teamgespräche und Fortbildung genutzt werde, hieß es. Tatsächlich betreue eine Erzieherin mehr als sieben Kinder.

Im Schnitt der West-Länder kommen 3,8 Kinder auf eine Erzieherin. Die Zahlen stammen aus einer am Freitag veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung. Sie empfiehlt, dass bei den unter Dreijährigen eine Erzieherin für höchstens drei Kinder verantwortlich ist. Um dies umsetzen zu können, würden in Hamburg knapp 2500 zusätzliche Vollzeitkräfte benötigt.

Um auch noch die Empfehlungen für über drei Jahre alte Kinder zu erfüllen, müssten noch einmal 850 Erzieherinnen dazukommen. Dies würde insgesamt Mehrkosten beim Personal von fast 143 Millionen Euro jährlich verursachen – ein Plus von 44 Prozent. „Das ist eine gewaltige Kraftanstrengung, die sich aber lohnt, weil die Kita-Qualität entscheidend ist für gutes Aufwachsen und faire Bildungschancen aller Kinder“, sagte Stiftungsvorstand Jörg Dräger.

In frühkindlicher Bildung bleibe gute Qualität oft auf der Strecke, weil viele Kitas nicht genügend Erzieherinnen haben, konstatiert die Stiftung. Die Personalschlüssel in Hamburg weiche stark von einem kindgerechten und pädagogisch sinnvollen Betreuungsverhältnis ab.

Bundesweit werden laut Studie zusätzlich rund 120.000 Erzieher in den Kitas benötigt. Da Erzieher fehlen, wichen die Personalschlüssel für Kitas in Deutschland teilweise erheblich von einem kindgerechten und pädagogisch sinnvollen Betreuungsverhältnis ab, hieß es. Damit zusätzliche Erzieher eingestellt werden können, rechnet die Stiftung bundesweit mit Mehrkosten von rund fünf Milliarden Euro pro Jahr.

Der Analyse nach gibt es von Bundesland zu Bundesland erheblich Unterschiede: In Bremen und Baden-Württemberg ist eine Erzieherin in den Krippen durchschnittlich für drei Kinder zuständig, in Sachsen-Anhalt hingegen für mehr als sechs Kinder. Auffällig ist ein Ost-West-Gefälle: Während in den ostdeutschen Krippen sich eine Erzieherin um durchschnittlich 6,3 Kinder kümmern muss, kommen im Westen 3,8 Kinder auf eine Erzieherin.

Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung und ehemaliger Hamburger Wissenschaftssenator, sprach sich daher für eine Qualitätsoffensive aus, die bundesweit gelten soll. „Wir brauchen dringend einheitliche Qualitätsstandards, die in einem Bundes-Kita-Gesetz geregelt sind“, erklärte Dräger. Die Stiftung empfiehlt, dass bei den unter Dreijährigen ein Erzieher für höchstens drei Kinder verantwortlich ist. In der Altersgruppe ab drei Jahren sollte der Personalschlüssel nicht schlechter als 1 zu 7,5 sein.

Dräger zufolge ist vor allem ein „stärkeres finanzielles Engagement des Bundes in der frühkindlichen Bildung“ gefragt. „Politik und Praxis sollten sich auf bundesweite kindgerechte Standards einigen, damit alle Kita-Kinder in Deutschland gute Bildungschancen haben“, erklärte der Bertelsmann-Vorstand.