„Wir werden das Problem lösen, dass Sie derzeit keinen SUV für mehr als 140.000 Pfund bekommen“: Wolfgang Dürheimer will Bentleys Kundenkreis hochexklusiv halten – und dennoch mehr Autos verkaufen.

Groß, größer, Bentley: Die britische Luxusmarke war zuletzt mit ambitionierten Zielen und markigen Sprüchen aufgefallen. Bis 2018 will die VW-Tochter auf 15.000 verkaufte Autos im Jahr kommen. Doch die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland und die unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven in China lassen den neuen Vorstand und CEO Wolfgang Dürheimer vorsichtigere Töne anschlagen. „Unsere Ziele waren vielleicht zu aggressiv“, sagte der Deutsche am Donnerstag in London.

Er korrigiert damit die Umsatzerwartungen für das laufende Jahr „leicht nach unten“, will 2014 aber dennoch ein zweistelliges Wachstum bei der Zahl der verkauften Luxusautos erreichen. Auch am Ziel der 15.000 Wagen bis 2018 hält Dürheimer fest. Der angekündigte Geländewagen und möglicherweise ein neuer Zweisitzer sollen helfen, die Marke zu erreichen.

Die Ukraine-Krise und die vermutlich im zweiten Halbjahr nachlassende Nachfrage in China haben für die Bentley-Mitarbeiter ganz konkrete Folgen. Die britische Presse hatte in den vergangenen Tagen aufgeregt darüber berichtet: Zwischen September und Weihnachten soll auf einer der Produktionslinien im Werk in Crewe im Norden Englands nur an vier Tagen statt an fünf Tagen pro Woche gearbeitet werden.

„Es hat hier einige Missverständnisse gegeben“, sagte Dürheimer, „wir haben bei den Schichten einige Änderungen vorgenommen.“ Je nach Nachfrage könne das Team schnell zur Fünf-Tage-Woche zurückkehren, erklärt der Vorstand. „Es geht nicht um alle Freitage, aber um einige“, sagt der 56-Jährige. Betroffen sind rund 700 Monteure, die bis Weihnachten jeweils rund 87 Stunden weniger arbeiten sollen.

Das letzte Wort wird in Wolfsburg gesprochen

Bentley hatte im ersten Halbjahr die Verkäufe in China um 61 Prozent auf 1318 Autos steigern können. Das Niveau wird vermutlich nicht zu halten sein: „Ich glaube, dass diese Zahl im zweiten Halbjahr etwas zurückgeht“, sagte Dürheimer. Dürheimer zufolge handelt es sich um eine „kleine Anpassung“, um sicherzustellen, dass Bentley nicht über Bedarf produziert.

Langfristig bleibe China aber ein interessanter Markt, der Autobauer rechnet damit, dass die Verkäufe im Reich der Mitte schon bald über denen in den USA, dem bislang wichtigsten Markt für Bentley, liegen könnten. Im ersten Halbjahr hatte Bentley in den USA 1388 Autos verkauft, eine Steigerung von acht Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Die R&D-Abteilung und auch das Entwicklungsteam hinter dem neuen Geländewagen sollen von der Drosselung der Produktion nicht betroffen sein. Die Stunden gingen nicht verloren, sagte Dürheimer: „Wir können sie im kommenden Jahr für den SUV gut nutzen.“ Der Bentley-Chef scheint beim neuen Geländewagen etwas unter Druck zu stehen.

Schon Ende 2015 will Dürheimer den Wagen der Öffentlichkeit präsentieren, Anfang 2016 soll er im Laden stehen. „Wir wollen die Entscheidungen früher treffen als ursprünglich geplant“, sagt er, „die Herausforderung ist, dies vor den Entscheidungsträgern zu präsentieren.“ Obwohl Dürheimer bei Bentley die Geschäfte leitet, ist er doch davon abhängig, was VW-Chef Martin Winterkorn zu seinen Plänen sagt. Seit der Integration von Bentley in den Volkswagen-Konzern wird das letzte Wort nicht mehr in Crewe, sondern in Wolfsburg gesprochen.

„Es wird niemals einen günstigen Bentley geben“

Der SUV ist eines der Prestigeprojekte von Bentley, der Preis für den Wagen soll deutlich über dem liegen, was derzeit auf dem Markt ist. „Wir werden das Problem lösen, dass Sie derzeit keinen SUV für mehr als 140.000 Pfund kaufen können“, sagte Dürheimer am Donnerstag. Das sind umgerechnet rund 175.000 Euro.

Wie die anderen Bentley-Modelle, so soll auch der Geländewagen über einen großen Kühlergrill verfügen. Viel mehr will Dürheimer nicht verraten: „Es wird vor der Präsentation keine Konzeptstudie mehr geben“, sagt er. Bentley hatte 2012 beim Autosalon in Genf erstmals eine SUV-Studie präsentiert.

Neben dem Geländewagen soll ein weiteres Modell zur Produktpalette kommen. Derzeit umfasst das Angebot des Autobauers zwölf verschiedene Typen. „Ich bin nicht hier, um Bentley zu verwalten“, sagt der frühere Porsche-Manager, „ich entscheide, welche Richtung wir einschlagen.“ Möglich sei ein neues Modell oberhalb des Continental, der zwischen 150.000 und 170.000 Euro kostet, oder zwischen dem Continental und dem Mulsanne, einer Limousine, die 200.000 Euro und mehr kostet. „Jeder will heute sportlich sein“, sagte Dürheimer.

Der Deutsche, der seit Ende der 90er-Jahre bei Porsche für die 911er-Serie zuständig war, spielt daher mit dem Gedanken, einen Bentley-Zweisitzer zu entwickeln. Erst will Dürheimer jedoch den SUV auf den Markt bringen. „Die Entscheidung wird nicht vor der Einführung des SUV getroffen, nicht vor Mitte 2016“, so der Bentley-Chef. Eines ist jedoch jetzt schon klar: Dürheimer will die derzeitigen Preise für einen Bentley nicht unterbieten. „Es wird niemals einen günstigen Bentley geben, es wird niemals ein Auto für den Massenmarkt.“

Ist der Job eine „Parkposition“?

Dürheimer klingt deutlich zurückhaltender als sein Vorgänger Wolfgang Schreiber. Der hatte im Frühjahr bei der Präsentation der Ergebnisse optimistischer geklungen. „2013 war ein Rekordjahr, wir haben so viele Autos ausgeliefert wie nie zuvor“, sagte Schreiber damals.

Im vergangenen Jahr hatte Bentley 19 Prozent mehr Autos verkauft, insgesamt liefen in Crewe 10.120 Fahrzeuge vom Band. Solche Zuwachsraten wird Wolfgang Dürheimer zumindest in diesem Jahr vermutlich nicht erreichen können.

Nach Einschätzung von Branchenexperten ist der Job des Bentley-Chefs denn auch nicht unbedingt der, den Wolfgang Dürheimer wollte. Nach 14 Jahren bei BMW ging er 1999 zu Porsche. 2011 war Dürheimer kurzzeitig bei Bentley tätig, bevor er als Technik-Vorstand bei Audi anfing. Nach nicht einmal einem Jahr wurde er diesen Job jedoch wieder los.

„Dürheimer war mit großen Vorschusslorbeeren zu Audi gekommen“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des „Centrum Automotive Research“ an der Universität Duisburg-Essen, „er galt als einer, der auch mal VW-Chef Winterkorn hätte beerben können.“ Dudenhöffer zufolge sei Dürheimer jedoch nicht mit der Audi-Mentalität zurechtgekommen, „er hat mehr von Porsche als von Audi gesprochen“.

Bentley sei eigentlich eine „Nummer zu klein“ für den Bayern, meint der Autoexperte, „es ist eine Art Parkposition.“ Selbst mit 15.000 verkauften Autos komme Bentley 2018 nur auf einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro, schätzt Dudenhöffer – ein Bruchteil dessen, was bei Porsche und Audi erwirtschaftet wird. „Heute macht Bentley etwa zwölf Prozent des Umsatzes von Porsche und drei Prozent des Umsatzes von Audi“, sagt der Professor, „das ist ganz nett, aber für den VW-Konzern von geringer Bedeutung.“

Bentley will acht Flagship-Stores eröffnen

Wolfgang Dürheimer will nun nicht nur neue Modelle einführen, sondern auch acht sogenannte Flagship-Stores eröffnen, in Städten wie Shanghai, Los Angeles und London. München soll ebenfalls einen solchen Showroom bekommen, Deutschland soll insgesamt wichtiger werden.

Dürheimer plant, die Zahl der Händler in den kommenden zwölf Monaten um 30 Prozent zu steigern, zwölf Stück sollen es dann sein. Neue Märkte wie Vietnam, Marokko und Israel sollen ebenfalls helfen, die ambitionierte Zahl von 15.000 verkauften Wagen zu erreichen.

Noch immer scheint Dürheimers Herz jedoch insgeheim für Porsche zu schlagen. „Die Zeit bei Porsche ist mir noch in guter Erinnerung“, sagt er, „erst gestern war ich wieder dort.“ Er wird nun zeigen müssen, dass ihm auch bei Bentley Innovationen gelingen. „Die nächste große Aufgabe ist der SUV“, sagt Ferdinand Dudenhöffer. Wenn der Geländewagen ein Erfolg werde, könne sich Dürheimer auf Dauer im VW-Konzern rehabilitieren.

Vorher muss er sich allerdings an den Sparmaßnahmen des Mutterkonzerns beteiligen. Am Mittwoch hatte VW-Chef Winterkorn auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung angekündigt, fünf Milliarden Euro sparen zu wollen. So will VW dem Ziel näherkommen, der größte Autohersteller der Welt zu werden. „Jeder muss sich an den Einsparungen beteiligen“, kommentierte Bentley-Chef Dürheimer.

Hybrid-Bentley für urbane Gegenden

Er erwarte jedoch nicht, dass seine Marke stark betroffen sein werde. Um Weihnachten herum wird er wissen, wie viel er einsparen muss. „Wir müssen Wege finden, um unsere Arbeit produktiver zu gestalten“, sagte er.

Sein Vorgänger Schreiber hatte noch im März das größte Investitionsprogramm in der Unternehmensgeschichte angekündigt, bis 2016 sollen rund 800 Millionen Pfund, umgerechnet 993 Millionen Euro, in den Hauptsitz in Crewe und die Entwicklung neuer Modelle fließen.

Innerhalb der nächsten vier Jahre, so der Plan, soll Bentley darüber hinaus die CO2-Emissionen um zwölf Prozent verringern. Das geht nur mit Elektro-Antrieben oder Hybrid-Modellen, auch in Märkten wie China.

Dort hatte der Autobauer bei der Beijing Auto Show im April einen Hybrid-Bentley vorgestellt. „Das wird interessant für Kalifornien, für Japan, für urbane Gegenden in Europa“, sagte Dürheimer. Schon bald soll ein Großteil der Modellpalette auch mit alternativen Antrieben angeboten werden.