200 Mitglieder setzen einstimmig auf direkte Verhandlungen mit Bürgermeister Olaf Scholz und der SPD. Die Parteibasis soll mitreden können

Hammerbrook. Sie werden als Gäste vorgestellt. Aber sie sind auch gekommen, um die Grünen zu warnen. 30Mitglieder der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ stellen sich um die Stühle im Saal der Freien Akademie der Künste am Klosterwall auf. Sie halten Spruchbänder vor ihre Brust und Plakate in die Luft. Sie fordern eine europaweite Anerkennung ihrer italienischen Aufenthaltserlaubnis. „Vergesst nicht eure Versprechen aus dem Wahlkampf an die Flüchtlinge in Hamburg“, sagt ein Sprecher der Gruppe. Es gibt Applaus von den rund 200 Mitgliedern der Grünen. Die Erwartungen an die Spitze der Grünen wachsen. Aber was ist eigentlich zu erwarten von den Grünen in einer Koalition mit der SPD?

Was mit den Grünen in einer Regierung nicht zu machen sei, sagt die Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin Katharina Fegebank gleich zu Beginn: „Eine Koalition light.“ Man werde nicht mit Senatoren auf der Regierungsbank sitzen, während die SPD einfach so weitermachen könne, als hätte sie noch die Alleinregierung. „Ich spüre den Aufbruch. Wir wollen nach vorne. Frisch und modern“, sagt Fegebank. Und sie nennt die Knackpunkte in möglichen Verhandlungen mit der SPD.

Die Grünen stünden für eine humanere Flüchtlingspolitik, für mehr Bürgerrechte und besseren Klimaschutz, aber auch für gerechtere Bildungschancen. Auf konkrete Projekte wie die Stadtbahn, die die Grünen fordern, oder einen Abschiebestopp für Flüchtlinge im Winter, geht Fegebank nicht ein. Die grüne Spitze feiert lieber sich selbst und die Partei. Und schwärmt von der Chance auf die Macht. Details regeln sie später. Dafür lobt Fegebank dann noch einmal den Bürgermeister. Schließlich sitzt sie ja bald an einem Tisch mit Olaf Scholz. Um zu verhandeln. Man müsse sein Angebot an die Grünen für eine gemeinsame Koalition ernst nehmen, sagt Fegebank. Die Spitze der Partei spricht sich für direkte Koalitionsverhandlungen mit der SPD aus. Würde man vorher erst sondieren, würde das die Partei schwächen, hebt auch die grüne Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk hervor: „Wir müssen mit Selbstbewusstsein in die Verhandlungen gehen. Dafür brauchen wir ein starkes Mandat.“

Und so sind es einzelne Mitglieder der grünen Basis, die konkrete Forderungen an die Koalitionsverhandlungen stellen. Eine Frau fordert ein Nein zur Elbvertiefung und warnt vor Risiken für Umwelt und Deichsicherheit. Ein Mitglied der Grünen Jugend fordert ein kollektives Bleiberecht für die Gruppe der Lampedusa-Flüchtlinge. Dafür gibt es viel Applaus.

Der bisherige Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidat, Jens Kerstan, hebt hervor, dass die Wirtschaft keineswegs Gegner einer rot-grünen Regierung sei. 19 Prozent der Selbstständigen hätten die Grünen gewählt. Der Hamburger Unternehmerverband AGA hatte Scholz davor gewarnt, in einer Koalition den wirtschaftsfreundlichen Kurs zu verlassen.

In einer Umfrage unter den 3500 Mitgliedsunternehmen hätten sich nur 15 Prozent für die von Scholz bevorzugte rot-grüne Regierung im Rathaus ausgesprochen. Kerstan: „Es sind Verbands- und Kammerfürsten, die ein Problem haben, mit der modernen Zeit klarzukommen.“ Man werde beweisen, dass die Grünen Politik mit der Wirtschaft machen könnten. Nicht gegen sie. Zu Ansprüchen auf Senatorenposten oder konkrete Koalitionsforderungen sagt auch er nichts.

In einem Antrag fordert der Kreisverband Altona Sondierungsgespräche anstelle direkter Koalitionsverhandlungen. Das gebe die Möglichkeit, die Basis der Partei rechtzeitig über Konflikte oder Kompromisse zu informieren und „zur Not die Reißleine“ zu ziehen. Parteichefin Fegebank entgegnet, dass über den Koalitionsvertrag auf einer Landesmitgliederversammlung abgestimmt werden solle. Am Montag werde in der Parteizentrale ein Konzept erarbeitet, wie die Basis der Partei an den Verhandlungen beteiligt werden könne. Und so nehmen die Grünen den Antrag für direkte Koalitionsverhandlungen an. Einstimmig. Diskussionen gibt es keine. Fegebank dankt für das „klare Votum“. Man werde die Hoffnungen nicht enttäuschen. Applaus.

Früher als geplant endet die Versammlung. Widerstand gegen eine Koalition mit der SPD bleibt allenfalls eine Randnotiz. Nur einmal kommt grüne Rebellion auf. Ein Mädchen der Grünen Jugend ruft ins Mikrofon: „Ich habe keinen Bock, im Lobgesang zu versinken. Wo sind unsere Ideologien?“