Viele 16- und 17-Jährige nehmen ihr Wahlrecht ernst. Sie setzen sich mit den Parteien auseinander, einige engagieren sich als Helfer

Groß Flottbek/Lokstedt. Es ist ihre erste Wahl, und Pauline ist ein bisschen aufgeregt. Sie gibt ihre Wahlbenachrichtigungskarte ab und nimmt die rosa und gelben Stimmzettel-Hefte in Empfang. Dann wirft die 17-jährige Flottbekerin ihren Freundinnen Felicitas und Carlotta einen letzten belustigt-hilfesuchenden Blick zu und verschwindet in der Wahlkabine.

Pauline ist eine von 27.000 minderjährigen Wahlberechtigten, die sich erstmals an einer Hamburger Bürgerschaftswahl beteiligen können. Zu verdanken haben sie das einer Bürgerschaftsentscheidung vom Februar 2013, die das Wahlalter auf 16 Jahre herabsenkte. Die Jugendlichen können nun auf Bezirks- und -Landesebene politisch mitreden. Hamburg ist das vierte Bundesland, das 16- und 17-Jährigen dieses Recht einräumt. An Bundestagswahlen teilnehmen oder sich als Kandidaten aufstellen lassen dürfen sie allerdings nirgendwo.

„Wenn ich schon die Chance bekomme, wählen zu gehen, will ich sie auch nutzen. Das gehört zur Demokratie schließlich dazu“, sagt Pauline, als sie wieder hinter der Stellwand aus Pappe auftaucht. Das hat einige Minuten gedauert. „Ich habe mir zwar vorher die Muster-Wahlzettel angeschaut, mich im Internet informiert und mit Freunden darüber gesprochen, wollte aber nichts falsch machen“, sagt die Gymnasiastin.

Die Vierlinge Nick, Lisa Marie, Josie und Tim aus Duvenstedt sind mit dem Zettel-Wust und den vielen Kreuzchen, die sie machen dürfen, vertraut: Die 17-jährigen Geschwister durften schon bei den Bezirkswahlen im Mai 2014 mitwählen. Sie haben nicht nur äußerlich viele Übereinstimmungen, sondern dürften ihre Kreuzchen auch ähnlich verteilt haben. „Wir haben relativ ähnliche politische Ansichten“, sagt Tim. Einen besonderen Schwerpunkt legen die Vierlinge auf das Thema Bildung; schlau gemacht haben sie sich unter anderem in Gesprächen mit ihrem Vater, einem Nachrichtenredakteur.

Auch die 16-jährige Sarah aus Eilbek geht gut vorbereitet an die Wahlurne. „Ich habe viel im Politikunterricht und über die Medien erfahren“, sagt die Schülerin vom Gymnasium Lerchenfeld. Versiert ist sie auch, weil sie mit 17 weiteren Mitschülern aus dem Profil „Medien & Gesellschaft“ den Blog buergerschaftswahl.wordpress.com ins Leben gerufen hat – er wurde sogar von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und einigen Politikern zur Kenntnis genommen. Am Nachmittag will Sarah zum Flughafen fahren – dort bildet sie mit ihrem Politik-Kurs am Sonntag und Montag den Wahlvorstand im Briefwahllokal „Terminal Tango“.

Das Wahllokal 31781 an der Grundschule Döhrnstraße ist ebenfalls fest in Schülerhand, hier besteht der Wahlvorstand aus Zehntklässlern der Stadtteilschule Stellingen. Im Schichtdienst sorgen die 16- und 17-Jährigen für einen reibungslosen Ablauf. Als Art Generalprobe haben sie zuvor an ihrer Schule eine „Junior-Wahl“ durchgeführt. Doch sie nehmen auch ihre politische Mitbestimmung ernst und haben sich mit den verschiedenen Parteiprogrammen auseinandergesetzt. Während Pamela schon per Brief gewählt hat, werden Nils und Kübra das nach ihrem Feierabend tun. „Ich möchte ,richtig’ wählen gehen“, sagt Kübra. Und Nils fügt hinzu: „Schließlich sind wir die erste Generation, die so jung wählen darf.“ Mariam bedauert, nicht mitwählen zu können. Damit ihr das auf jeden Fall beim nächsten Mal möglich ist, hat die junge Afghanin gerade einen deutschen Pass beantragt.

Auch außerhalb von Schulprojekten haben sich Jungwähler als Wahlhelfer engagiert. So hat Wahlvorsteherin Sophia Engel (selber erst 21) aus ihrem DLRG-Schwimmkurs auch die 16-Jährigen Paul und Marvin angeheuert. Statt im Wasser sind sie nun in einem Billstedter Wahllokal aktiv.