In meinem Seminar an der Hochschule stellte ich vor Kurzem die Frage, ab wann man eigentlich alt sei. Die Antworten der Studierenden waren recht unterschiedlich und reichten vom Renteneintrittsalter und der Geburt von Enkelkindern über Eigenschaften wie Engstirnigkeit und Verbitterung bis hin zur Pflegebedürftigkeit. Auch die wahrscheinlich typisch deutsche Annahme „Wenn man nicht mehr Auto fahren kann“ wurde genannt.

Diese Antworten der jungen Generation sind nicht ungewöhnlich, auch viele Angehörige meiner Generation (ich bin Jahrgang 1970) äußern sich ganz ähnlich. Zunehmend wird sich Gedanken über das Alter gemacht, da plötzlich realisiert wird, dass die Hälfte des Lebens schon hinter einem liegt. Dann wird der eigenen Jugend nachgetrauert, erste negative körperliche Veränderungen treten auf, man sorgt sich um einen möglichen Jobverlust und bespricht die Folgen im Freundeskreis.

Mit Wehmut wird auf die Jüngeren geschaut – deren Aussehen, deren Unbekümmertheit, deren Möglichkeiten! Mit Freunden spricht meine Generation über all das, was wir eigentlich noch im Leben machen wollten und gestehen uns am Ende dann heimlich ein, dass vieles wohl nie realisiert wird. An diesem Punkt ist die Midlife-Crisis dann oft nicht mehr allzu fern. Noch sorgenvoller blickt die Babyboomer-Generation (geboren in den 1950er- und 1960er-Jahren) auf das eigene Alter und das Altern. Dabei sind es doch eben diese Jahrgänge, die unsere Gesellschaft verändert haben. Sie haben Konventionen aufgehoben und die Emanzipation vorangetrieben, sie haben den Mief aus den Universitäten vertrieben und Autoritäten infrage gestellt, sie haben sich scheiden lassen, wenn die Ehe nicht funktionierte und Sex durch die Pille revolutioniert.

Oftmals ist die Angst vor dem Altsein stark mit der Sorge um die finanzielle Sicherheit verbunden. Fast täglich lesen und hören wir irgendwo etwas von unfinanzierbaren Renten, einem sinkenden Lebensstandard im Alter oder von Altersarmut. Ja, dies sind sicherlich zukünftige Herausforderungen. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass erstmals in der Geschichte eine Generation in Rente geht, die weder durch Wirtschaftskrisen noch durch Krieg alles verloren hat und deren Rentenansprüche über eine komplette Lebensspanne intakt sind. Dennoch ist der Staat gefordert, jedem Bürger ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um ein würdevolles Leben zu führen. Zusätzlich zur staatlichen und privaten Vorsorge ist aber auch jeder Einzelne noch ganz anders gefordert. Und zwar sind im Alter auch gegenseitige Verantwortung und Verbundenheit innerhalb der Familie sehr wichtig. Ein starker Generationenzusammenhalt könnte hierbei eine konkrete Antwort auf viele Ängste im Zusammenhang mit dem Alter sein. Bereits gegenwärtig sind sich neun von zehn Bürgern sicher, dass die gegenseitige Hilfe von Enkeln, Kindern, Eltern und Großeltern in Zukunft wichtiger werden wird und auch hilft, Krisen durchzustehen.

Zum Schluss noch ein guter Grund, sich aufs Alter zu freuen: Die Fremdbestimmung lässt nach. PS: Wer übrigens erkennt, dass es im Leben nicht darauf ankommt wie alt man wird, sondern wie man alt wird, der darf sich auf ein noch längeres Leben freuen, denn Menschen mit einem positiven Bild vom Altern leben durchschnittlich rund sieben Jahre länger.

An dieser Stelle schreibt jeden Montag Prof. Ulrich Reinhardt von der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen