Mehr Ausbildung und bessere Technik: Vor allem Betriebe will der Senat noch effektiver kontrollieren.

Hamm. Selten wurde in Hamburg so viel über die Einnahmen der Stadt gesprochen wie in diesen Wochen, und zwar ausnahmsweise aus einem erfreulichen Grund: Denn diese eilen von Rekord zu Rekord, sodass die Stadt für 2014 erstmals seit Jahrzehnten einen satten Überschuss im Haushalt vermelden kann. Nach vorläufigen Zahlen liegt er bei 424 Millionen Euro. Geprägt werden die Debatten über das Thema vor allem von zwei Faktoren: von der guten Konjunktur, die der Stadt Steuern und Gebühren von rund zwölf Milliarden Euro in die Kassen spülte, sowie der strikten Ausgabenbegrenzung des SPD-Senats. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) lenkte den Blick am Donnerstag auf einen weiteren Faktor, der ihm in der ganzen Diskussion zu kurz kommt: den Steuervollzug, also das Eintreiben der Steuern.

„Was geschieht, wenn eine Steuerverwaltung nicht funktioniert, sieht man in Griechenland“, sagte Tschentscher bei einem Besuch in der Norddeutschen Akademie für Finanzen und Steuerrecht (NoA). In der 2010 gegründeten Einrichtung im Stadtteil Hamm bildet die Stadt den Nachwuchs an Finanzbeamten, Betriebsprüfern und Steuerfahndern aus, und wie der Finanzsenator betonte, sollen die Bemühungen intensiviert werden. Nachdem die Zahl der Anwärter in den vergangenen Jahren auf 190 im Jahr verdoppelt werden konnte, sagte Tschentscher nun: „Wir möchten ab sofort jedes Jahr die gleiche Anzahl an Azubis haben.“

Er vermute zwar keinesfalls, dass es in Hamburg massenweise Steuerhinterzieher gibt. Aber vereinzelt gebe es durchaus Bürger und Unternehmen, die sich bei der Aussicht auf Steuer- und Gebührenzahlungen „vom Acker“ machen, so der Finanzsenator. Dem solle mit einem möglichst guten Steuervollzug begegnet werden: „Man muss ganz nüchtern sehen“, so Tschentscher. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“

Konkret geht es vor allem um eine verbesserte Betriebsprüfung. Die Zahl der speziell geschulten Betriebsprüfer unter den 3400 Finanzbeamten liegt derzeit bei 614. Das sind zwar immerhin 50 mehr als 2011 bei Antritt des SPD-Senats. Aber angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Unternehmen in Hamburg im gleichen Zeitraum von 208.000 auf 214.000 gestiegen ist, wird deutlich, dass es gar keine flächendeckende Kontrolle der Unternehmensfinanzen geben kann. So werden auch lediglich die 300 Großunternehmen mit mehr als 500 Millionen Euro Jahresumsatz turnusgemäß geprüft, kleinere und mittlere Firmen hingegen mitunter über Jahre gar nicht.

Umso wichtiger sei es, dass die Prüfer gut ausgebildet und technisch ausgerüstet sind, betonten Tschentscher und NoA-Leiter Rüdiger Meinßen. Daher hat die Akademie jetzt 16 moderne PC-Arbeitsplätze eingerichtet, an denen die Betriebsprüfer gleich anhand von SAP-gestützten Buchführungs- und Warenwirtschaftssystemen fortgebildet werden, wie sie die Unternehmen auch verwenden. Außerdem erhalten sie eine Sprachschulung, um die englischsprachigen Dokumente und Fachbegriffe in den vielen international tätigen Unternehmen besser zu verstehen. Zum Standard soll es werden, dass sich die Prüfer des Finanzamts direkt in die Systeme der Firmen einloggen und dort alle relevanten Daten checken können. Das gehe schneller und sei effektiver, sagte der Finanzsenator: „Zügige und kompetente Betriebsprüfungen liegen im Interesse der Steuerverwaltung, aber auch der Unternehmen.“

Das bestätigte Ralf Gerking, Vorsitzender des Ausschusses für Steuer- und Finanzpolitik der Handelskammer. Die Firmen würden weniger die Prüfung an sich scheuen, als vielmehr die mitunter wochenlange Störung ihrer Geschäftsabläufe. Das neue Schulungsangebot für die Betriebsprüfer sei daher „ein wichtiger Baustein“, damit Betriebe und Finanzverwaltung sich noch besser verstehen und „auf Augenhöhe“ agieren könnten. Allerdings sei die gut funktionierende Steuerverwaltung schon heute „ein echter Standortvorteil für Hamburg“. Dass es beim Steuervollzug dennoch Luft nach oben gibt, haben die vergangenen Jahre gezeigt.

Ausgelöst von prominenten Fällen wie Alice Schwarzer und Uli Hoeneß war die Zahl der Selbstanzeigen von Steuersündern, die Einkünfte im Ausland vor dem deutschen Fiskus verborgen hatten, rasant gestiegen. Seit 2010 gab es in Hamburg 2617 solcher Selbstanzeigen, davon allein 971 im Jahr 2014. Insgesamt wurden Kapitaleinkünfte von 706 Millionen Euro nachgemeldet, was der Stadt Steuereinkünfte von gut 200 Millionen Euro bescherte, so die Finanzbehörde. Seit die Regeln für diese Art der „strafbefreienden Selbstanzeige“ Anfang des Jahres verschärft wurden, haben sich hingegen nur noch sechs Steuersünder in Hamburg angezeigt.

Gewerkschaften und Linkspartei fordern daher seit Jahren die Einstellung von 100 bis 200 weiteren Betriebsprüfern und Steuerfahndern und verweisen darauf, dass jeder Prüfer rund eine Million Euro pro Jahr in die Kassen hole. Tschentscher hält diese Erwartung hingegen für übertrieben, aber in der Sache sendet er die gleiche Botschaft aus: „Der Staat ist nicht immer der Dumme. Wir wissen, wie wir den Schlingeln auf die Schliche kommen, und wir sind da hinterher.“