Der Kartenverkauf bei Olympischen Spielen ist ein komplexes Verfahren. Welche Herausforderungen und Probleme auf die Stadt Hamburg zukommen würden.

Es ist ein verhältnismäßig kleines Büro, das die CTS Eventim AG in der Hamburger Neustadt betreibt. An den Hohen Bleichen werden normalerweise die Tickets für die Heimspiele der Hamburg Freezers oder der HSV-Handballer in der 02 World vertrieben. Vor wenigen Tagen ging in dieser Agentur eine Homepage online, die in den kommenden beiden Jahren zu einer der meistbesuchten Webseiten der Welt zählen wird: www.rio2016.com. Es ist die offizielle Homepage der Olympischen Spiele 2016 im brasilianischen Rio de Janeiro, entworfen in Hamburg.

Auf dieser Seite müssen sich Menschen aus aller Welt registrieren, wollen sie eine der rund neun Millionen Eintrittskarten für Olympia in Rio bekommen. Es ist der Beginn eines hochkomplexen Verteilersystems und ein Vorgeschmack auf das, was die Stadt Hamburg bei einer möglichen Olympiaausrichtung im Jahr 2024 erwarten würde. Wie funktioniert eine faire Verteilung der Tickets? Wie kann man den Schwarzmarkt kontrollieren? Wie lässt sich der Verkauf mit dem Datenschutz vereinbaren?

Damit bei den olympischen Wettkämpfen am Ende keine Plätze frei bleiben, müssen die Organisationskomitees der Ausrichter einen vielschichtigen Fragenkatalog beantworten. Ein Netzwerk verschiedener Firmen kümmert sich um einen möglichst reibungslosen Ablauf. Ein Vorhaben, das nur wenigen Gastgebern gelungen ist. Die Gründe dafür sind verschieden. Öffentlich äußern darf sich kaum jemand. Auch nicht CTS Eventim. Man habe eine umfangreiche Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieben, teilte ein Unternehmenssprecher auf Abendblatt-Anfrage mit. Angesichts des zu erwartenden Ansturms auf die Karten sowie zahlreicher Einzelveranstaltungen bei Olympia müsse das Ticketing-Unternehmen „in der Lage sein, Komplexität und hohe Nachfrage zu händeln“, sagt ein Sprecher von CTS. Das Unternehmen übernahm bereits den Vertrieb bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 sowie bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006, dem bislang letzten sportlichen Ereignis in der Bundesrepublik in dieser Größenordnung.

„Jeder Veranstalter hat das Interesse, 100 Prozent der Tickets zu verkaufen“, sagt Horst R. Schmidt. Er ist der Mann, der 2006 das Ticketing der WM organisierte. Er war bereits bei den Olympischen Spielen 1972 in München entscheidend an diesem Thema beteiligt. Heute berät er den Weltfußballverband Fifa in Ticketing-Fragen. Kaum jemand kennt sich in dieser Problematik so gut aus wie der 73 Jahre alte Schmidt. Und doch konnte auch er es nicht verhindern, dass 2006 einige Plätze in den Stadien frei blieben. Nicht immer fiel das auf, denn zur Not nahmen die vielen freiwilligen Helfer gern die Plätze ein. Als große Schwierigkeit bei der Verteilung nennt Schmidt die Sponsorenkarten. Diese machen in der Regel etwa ein Drittel des Kontingents aus, werden aber schon lange vor dem Ereignis vergeben. Immer wieder kommt es vor, dass diese Kartenbesitzer ihre Tickets nicht nutzen. „Sponsorenkarten bieten immer Anlass zur Kritik, sind aber vertraglich festgelegt“, erklärt Schmidt.

Als zweites großes Problem nennt Schmidt die Großkäufer, die ihre Tickets am Ende nicht loswerden. Bei den Olympischen Spielen in London war es nicht möglich, Tickets bei Ebay zu versteigern, da ein Weiterverkauf der Karten in Großbritannien grundsätzlich verboten ist. Trotzdem kam es auch in London wieder zu Korruptionsvorwürfen und überhöhten Schwarzmarktpreisen. „Am Ende gibt es immer Leute, die ein faires Ticketing unterlaufen“, sagt Schmidt. „Das kann man nicht zu 100 Prozent eindämmen.“

Sollte Deutschland 2024 Olympische Spiele ausrichten, müssen sich die Kartenkäufer wieder auf personalisierte Tickets einstellen. Das System habe sich etabliert, sagt Schmidt, auch wenn es im Vorfeld der WM 2006 viel Ärger mit Datenschützern gegeben habe. Einen Vorteil für Hamburger beim Kartenkauf für die Spiele in der eigenen Stadt hält Schmidt für unrealistisch. „Das ließe sich zwar machen, wird aber komplizierter.“ Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bestätigt, dass die Bewohner einer Ausrichterstadt in der Ticketlotterie nicht bevorzugt werden. „Der Großteil der Karten wird über das Gastgeberland verkauft, darüber hinaus gehen weitere Kontingente in die Heimatländer der 205 Nationalen Olympischen Komitees und an die Sponsoren der Veranstaltung“, sagt Olympia-Vorstand Bernhard Schwank vom DOSB.

Klar ist: Wer unbedingt einen olympischen Wettkampf miterleben will, dürfte das auch in Hamburg schaffen. In London waren einige Veranstaltungen wie das Radrennen oder Vorrundenspiele im Cricket sogar frei zugänglich. Leere Tribünen bei unbekannteren Sportarten muss in Hamburg aber niemand befürchten. „Es ist sicher kein übertriebener Optimismus zu sagen, dass in einem Land wie Deutschland mit entsprechend großer Sportbegeisterung Großevents immer mehr oder weniger ausverkauft sein werden“, sagt Schwank. Auch überteuerte Tickets werden bei Spielen in Deutschland nicht zu erwarten sein. „Bewerbergesellschaft und Organisationskomitee werden großen Wert auf Ticketpreise legen, die möglichst vielen Sportfans den Besuch olympischer Wettkämpfe ermöglichen“, sagt Schwank. In London lag die Preisspanne zwischen 32 Euro für die Wettkämpfe und 2543 Euro für die Eröffnungsfeier.

Ein echter Ansturm auf die Tickets wäre vor allem bei den Finalwettkämpfen in der Leichtathletik zu erwarten. Für das 100-Meter-Finale der Männer in London versuchten eine Million Menschen ein Ticket zu ergattern. In Hamburg dürften es nicht weniger sein. Eine echte Herausforderung für die Server der offiziellen Tickethomepage. Gut möglich, dass diese Herausforderung 2024 wieder auf CTS Eventim in Hamburg zukommt. Der Verkauf für Rio läuft seit vier Tagen bislang reibungslos.