Abschied von Ralph Giordano: Bewegende Trauerfeier im Ernst Deutsch Theater für den gebürtigen Hamburger, der am 10. Dezember gestorben war. 400 Gäste erinnern an das Leben des Publizisten.

Uhlenhorst. Mit einer Trauerfeier haben sich zahlreiche Hamburger von dem vor knapp vier Wochen verstorbenen Schriftsteller und Publizisten Ralph Giordano („Die Bertinis“) verabschiedet. Rund 400 Gäste, darunter viele Freunde und Weggefährten, waren der Einladung ins Ernst Deutsch Theater an der Mundsburg gefolgt. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nahm gleich zu Beginn seiner Rede Bezug auf den Terroranschlag in Paris, als er sagte, Giordano hätte auch zu „Charlie Hebdo“ die richtigen Worte gefunden – „an diesem vielfach traurigen Tag“.

Obwohl Giordano, der am 10. Dezember im Alter von 91 Jahren gestorben war, seine letzten Lebensjahrzehnte in Köln verbracht hatte, sei er seiner Geburtsstadt stets tief verbunden geblieben – als „gänzlich unbestechlicher Beobachter und Berater“. Scholz zitierte aus einem Interview, in dem Giordano gesagt hatte, dass ihm „das Herz beim Anblick der Hamburger Silhouette stets höher schlage, bis zum Hals“. Scholz würdigte Giordano als „Freiheitskrieger, der immer aggressiv, feinsinnig, aber klar und differenziert“ gewesen sei.

Zuvor hatte Pianist Axel Zwingenberger unter einem überdimensionalen Lichtbild des Verstorbenen seinen „Blues für Ralph“ gespielt. Zwingenbergers kurze Erläuterung dazu: „Langsam, schnell, langsam.“

Totengebet für Giordano auf Hebräisch und Deutsch

Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky sprach auf Hebräisch und Deutsch ein Totengebet für Giordano, obwohl dieser, wie Bistritzky sagte, „bekennender Atheist“ gewesen sei. „Herr Giordano war kein gläubiger Jude, aber sehr stolz auf seine Zugehörigkeit zum Judentum.“ Bistritzky bedauerte, dass Giordano nicht auf einem jüdischen Friedhof beerdigt wurde. Hamburg habe mit ihm einen bedeutenden Bürger verloren, der auch ein „Symbol für Prinzipientreue und Gerechtigkeit“ gewesen sei. Bistritzky kam auch auf den nach Giordanos Hauptwerk benannten Bertini-Preis zu sprechen, der seit 1998 jährlich im Ernst Deutsch Theater verliehen wird. Giordano habe den Kontakt mit den jungen Preisträgern stets sehr geschätzt.

„Über seine eigene Kinderlosigkeit war Giordano betrübt, aber nicht verzweifelt“, so der Rabbiner. Der Umgang mit Kindern und Jugendlichen sei eine Art Ausgleich für ihn gewesen. Wie vielfältig die Beiträge sind, die in den vergangenen Jahren mit dem Bertini-Preis ausgezeichnet wurden, zeigten beispielhaft zahlreiche Filmausschnitte, die zwischen den einzelnen Redebeiträgen im Theater gezeigt wurden. Dabei wurde auch immer wieder deutlich, wie zugewandt sich Ralph Giordano in Ansprachen an die jeweiligen Preisträger verhielt. Die Einladung zur Trauerfeier zierte ein auf Buch und Preis bezogenes Zitat Giordanos: „Es zählt zu den Wundern meines Lebens, dass ich ein Buch geschrieben habe, das zu einer Hamburger Institution führte, die sich um Mitmenschen kümmert. Schöneres kann es nicht mehr geben.“

Das in den vergangenen Wochen immer wieder bemühte Bild des Mahners und Warners zeigte nur einen Teil von Giordanos Wesen. Den anderen, den lockeren „Ralle“ brachten Freunde und Weggefährten den Zuhörern mit anrührenden, teils überraschenden Anekdoten nahe. Peter Schmidt von der Hamburger Autorenvereinigung verriet, dass Giordano am liebsten per Fax kommunizierte. „Das Fax bleibt nun stumm“, so Schmidt ergriffen, „es hat ausgedient.“ Schmidt zitierte auch einen Ausspruch von Giordano, der dessen Verbundenheit mit seiner Geburtsstadt verdeutlicht: „Ein Barmbeker bleibt immer ein Barmbeker und ein Barmbeker immer ein Hamburger.“

„Kämpfer für abendländische Werte“

Bezogen auf seinen Widerstand gegen die Moschee in Köln bezeichnete Schmidt den Verstorbenen als einen „Kämpfer für abendländische Werte“.

Achim Rabe, ein Freund des Verstorbenen aus dessen Freiburger Clique, erzählte, dass Giordano in Gaststätten immer exakt dieselben acht Wörter an seine Freunde gerichtet habe: „Ihr seid alle eingeladen“, und: „Nutzt das schamlos aus“. Freundlich, zugewandt, liebenswert sei Giordano gewesen, und seinem Gegenüber habe er bei Gesprächen stets volle Aufmerksamkeit gezollt.

Besonders gut gelang es Peggy Parnass, Publizistin und langjährige Hamburger Freundin Giordanos, das Auditorium zu fesseln, zu rühren und zu amüsieren. Vor Jahren habe sie sich schon geschworen, mit „Ralle“ nicht mehr über Politik zu streiten – zu hitzig seien die Auseinandersetzungen darüber zuletzt geworden. Stattdessen sei man „friedlich“ chinesisch essen gegangen und habe mit frisch gepresstem Orangensaft angestoßen. 120 Jahre alt hätten sie beide werden wollen, der Gedanke an den Tod sei ihnen verhasst gewesen. Viele Menschen habe Ralph Giordano in den vergangenen Jahren verloren, darunter seine Ehefrauen und seine Brüder. „Wie er das verkraftet hat, ist mir ein Rätsel“, so Parnass. Mehrmals hob die zerbrechlich wirkende Parnass die Hände, um dann mit fester Stimme zu rufen: „Ralle, lieber Ralle, ich wünschte, du wärest heute hier.“ Eindringlich schilderte Parnass, dass Giordano „unendlich“ am Leben hing, aber am Schluss zu erschöpft gewesen sei.

Zu den Rednern gehörte auch Theaterintendantin Isabella Vértes-Schütter, die an die mit Giordano verbrachte Zeit erinnerte und die Gäste – nach dem „Prayer“ von Ernst Bloch – zum Empfang ins Foyer einlud.