Nach 42 Jahren scheidet Holger Kowalski bei der Baugenossenschaft Altonaer Bau- und Sparverein aus. Er erklärt, warum so teuer gebaut wird.

Hamburg. Der gebürtige Kieler Holger Kowalski, 67, arbeitet seit 1972 bei der Baugenossenschaft Altonaer Bau- und Sparverein (Altoba), die in Hamburg rund 6700 Wohnungen verwaltet – vornehmlich in Altona, das seit einigen Jahren eine der begehrtesten Wohnlagen Hamburgs ist. Seit 1985 ist der gelernte Immobilienkaufmann dort Vorstandsvorsitzender. Kowalski ist zudem bis vor Kurzem zwölf Jahre lang Landesvorsitzender des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen gewesen und handelte für seinen Verband mit dem Senat das Bündnis für das Wohnen aus. Zum Beginn dieses neuen Jahres geht er in den Ruhestand. Das Abendblatt sprach mit ihm über die Mietpreise, warum alle (er selbst auch) am liebsten in Ottensen wohnen und warum man solche Stadtteile nicht einfach nachbauen kann.

Hamburger Abendblatt: Kann man in Hamburg noch günstig wohnen?
Holger Kowalski: Dazu müssten wir klären, was Sie unter günstigem Wohnen verstehen.

Nicht gerade eine Kaltmiete von 15 Euro und mehr.
Kowalski: Ich glaube, es kommt auf das Einkommen an. Es kommt darauf an, welchen Anteil Sie davon für eine Miete aufbringen müssen. Und der sollte bei nicht mehr als 25 bis 30 Prozent des Nettoeinkommens liegen. Bei 4000 netto kann man aber auch mehr als 1000 Euro zahlen, das kommt dann auf die Ansprüche an.

Nur: So viel verdienen nur wenige.
Kowalski: Das stimmt, bei unseren Mitgliedern liegt das Familien-Durchschnittseinkommen bei rund 2000 Euro netto, die Mieten bei 600, 700 Euro kalt. Wohnungen mit Kaltmieten über 1000 Euro lassen sich schwer vermieten.

Und findet man noch so günstige Wohnungen in Hamburg?
Kowalski: Nun ja, die Durchschnittsmiete unserer Baugenossenschaft liegt bei 6,61 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Bestand, das ist noch günstig.

Aber schwer zu bekommen?
Kowalski: Das ist das Problem! Wir haben eine Warteliste von 16.000 Interessenten! Das muss man sich mal klarmachen. 50 bis 70 neue Wohnungen können wir im Jahr bauen. Da kann man sich ausrechnen, wie lange es dauern würde, allen eine Wohnung anbieten zu können.

Diese hohe Nachfrage liegt sicher daran, dass Sie Ihre Wohnungen vor allem im stark nachgefragten Altona haben?
Kowalski: Ja, in Harburg zum Beispiel ist das ganz anders, wie mir meine Kollegen berichten. Aber hier in Ottensen, in Altona, aber mittlerweile auch in Barmbek ist eben die Nachfrage so hoch.

Warum eigentlich?
Kowalski: Es sind dieser besondere Charme, der bunte Mix und die kurzen Wege. Meine Frau und ich sind da das beste Beispiel. 30 Jahre haben wir in Henstedt-Ulzburg gewohnt, sind zunächst nach Osdorf gezogen. Doch auch der Weg war zu weit, und nun wohnen wir auch in Ottensen – wo ich zu Fuß auf dem Weg zur Arbeit oft viele Leute aus der Branche treffe. Hier im bunten Ottensen wohnt man gerne.

Warum nicht woanders in der Innenstadt?
Kowalski: Eppendorf oder so etwas ist mir zu uniform. Da wohnen überall die gleichen Leute, schieben die gleichen Kinderwagen und tragen die gleichen Mäntel.

Diese Uniformität fällt auch bei den Neubaugebieten unsere Tage auf. Monoton sei es geworden, heißt es zu den Othmarscher Höfen. Zu eng und nur mit Kästen bebaut, schimpfen manche Politiker über die Neue Mitte Altona, wo im Übrigen auch die Altoba baut.
Kowalski: Ich bin mir sicher, dass es auch in Altonas neuen Wohngebieten bunt und lebendig zugehen wird – dazu sind die neuen Quartiere auch viel zu eng mit den Stadtteilen rundherum verbunden.

Aber warum baut man so etwas wie Ottensen nicht einfach neu, wenn so viele es als idealen Wohnort begreifen?
Kowalski: Das geht nicht, man kann so einen Mix aus türkischen Gemüsehändlern und einer großen Restaurantszene nicht einfach so als Siedlung planen. Allein schon, weil bei den heutigen Baukosten die Gewerbemieten viel zu teuer würden.

Darum sind Neubaumieten so teuer?
Kowalski: Ja, Grundstückskosten, Steigerungen bei den reinen Baukosten und immer neue Auflagen machen das Bauen in der Stadt teuer. Man kann heute nicht bauen und weniger als zwölf Euro Miete nehmen im frei finanzierten Wohnungsbau. Das geht nicht mehr. Auch für eine Genossenschaft nicht, die nicht nur auf die Rendite schaut. Noch schlimmer wird es werden, wenn die Zinsen wieder steigen.

Wenn man Ottensen schon nicht nachbauen kann, müsste man es wenigstens nicht besser schützen, damit die Mietpreise nicht immer weiter in die Höhe schießen? Stattdessen verkauft die Stadt selbst teuer ihren Zeise-Parkplatz. Dort baut nun ein Werbekonzern Büros für 850 Leute. Man hätte das Gelände doch auch günstig verkaufen können, damit dort günstige Wohnungen entstehen können.
Kowalski: Bei dem Projekt frage ich mich sowieso, warum man das macht. Wenn nun 850 Werber auf den Stadtteil und die Läden und Restaurants dort zukommen, weiß ich nicht, ob das so gut für den charmanten Mix ist. Oder nehmen Sie die Pläne für den Spritzenplatz.

Sie meinen den futuristischen Bau aus dem Büro des Star-Architekten Libeskind?
Kowalski: Das passt doch gar nicht dorthin. Als der Entwurf vorgeschlagen wurde, habe ich mich nur gefragt, was die wohl so geraucht haben!?

Aber könnte die Stadt in Stadtteilen wie Ottensen nicht tatsächlich Grundstücke einfach günstiger verkaufen, um den Markt ein wenig zu dämpfen?
Kowalski: Das geht aus EU-Wettbewerbsgründen schon schlecht, weil man das dann als Subvention verstehen würde. Aber ich glaube, dass die Stadt auf die Einnahmen auch nicht verzichten möchte.

Wie könnte Hamburg denn sonst steuern?
Kowalski: Das Bündnis für das Wohnen ist zum Beispiel eine gute Lösung, weil so alle miteinander reden: Politik, Investoren, Planer. Nur deshalb konnten in den letzten Jahren wieder so viele Wohnungen in Hamburg gebaut werden, was sich ja auch auf den Markt auswirkt. Auch das Bewusstsein in den Behörden hat sich dadurch geändert. Alle blicken auf dieses Ziel von 6000 Wohnungen pro Jahr, das macht es für Investoren einfacher.

Aber wenn Neubauten kaum günstiger zu bauen sind, muss es doch noch andere Wege geben.
Kowalski: Es wird sich sicher auch etwas bei der Nachfrage ändern, man sieht das schon bei Eigentumswohnungen: Die Quadratmeterzahlen werden wieder kleiner. Und die wichtige Maßeinheit für bezahlbares Wohnen ist doch die tatsächliche Miethöhe und nicht der Mietpreis pro Quadratmeter.