Kinder erziehen und gleichzeitig Karriere als Selbstständige machen: Hamburgerinnen aus dem Netzwerk Mompreneurs berichten, wie das gelingt.

Hamburg. Etwas Eigenes machen, sich beruflich verwirklichen, ein Unternehmen gründen – und das mit Kind. Für viele Mütter bleibt es Wunschdenken, weil die Hürden zu groß erscheinen. Doch es gibt Frauen, die diesen Schritt trotz aller Widrigkeiten gehen, die sich trauen, auch weil sie nicht allein sind – und in Netzwerken Unterstützung bekommen.

Esther Eisenhardt hat mit Mompreneurs ein Netzwerk und einen Wegweiser für Mütter gegründet, die Selbstständigkeit und Familienleben vereinbaren müssen. „Mein Ziel ist es, mit Mompreneurs viele Mütter zu ermutigen, ihr eigenes Business auf- und auszubauen. Und zwar nach eigenen Standards“, sagt die Mutter von zwei Töchtern (sieben und neun).

Diese Frauen entscheiden selbst, was ihren persönlichen Erfolg ausmacht, wie, wann und wo sie arbeiten. Nach einem Ausflug in die Berliner Gründerszene stellte Esther Eisenhardt fest, dass diese fast ausschließlich von Männern dominiert wurde. „Es ging immer darum, das nächste große Ding zu landen“, sagt Eisenhardt. Erfolgreich waren diejenigen mit großen Teams und 80 Stunden Arbeit in der Woche. Leben kann sie von Mompreneurs noch nicht, aber die Idee wird weiter ausgebaut. Nach Berlin gibt es auch in anderen Städten Mompreneurs-Gruppen. Das Abendblatt stellt drei Hamburgerinnen vor, die Unentschlossene ermutigen wollen. Ein Trend beim Schritt in die Selbstständigkeit, so scheint es, ist das Coaching, also Beratungskonzepte für Frauen in ähnlichen Situationen.

Stefanie Bilen

Sie hatte gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Nicole Mai gar nicht so groß gedacht. Dass Stefanie Bilen, 43, nun selbstständig ist und mit ihrem wöchentlichen Online-Business-Magazin „Saal Zwei“ ein eigenes Unternehmen hat, hatte sich so entwickelt. Regelmäßige Workshops und Seminare gehören ebenfalls zur Marke „Saal Zwei“. Wirtschaftsmagazine gibt es bereits, aber die seien doch sehr männerdominiert, und die klassischen Frauenzeitschriften beschäftigen sich eher mit Kleidung, Kosmetik und Schönheitsthemen. Mit „Saal Zwei“, dem Magazin für Frauen, will Stefanie Bilen eine Lücke schließen und den Frauen eine Bühne geben, die im Beruf erfolgreich sind, die Beruf und Familie miteinander vereinbaren müssen. Frauen wie sie selbst.

„Ich bin nicht die Einzige, die zwischen Buchführung und Keksebacken jongliert“, sagt sie. Ihre Töchter sind acht und zehn Jahre alt. Früher hatte die Wirtschaftsjournalistin für „brand eins“, „FAZ“, „Financial Times Deutschland“, „Harvard Business Manager“ und „Handelsblatt“ geschrieben. Seit 2011 nun ist sie mit ihrem Online-Magazin am Start und so erfolgreich, dass sie davon leben kann. Ein Vollzeitjob sei das, drei Tage arbeitet sie, so lange die Arbeit das erfordert.

An den übrigen Tagen versucht sie, frühmorgens ins Büro an die Außenalster zu fahren, um gegen 16 Uhr Feierabend machen zu können. Freitags arbeitet sie regelmäßig von zu Hause aus. „Am Freitagabend schalte ich das Jobhandy aus und sonntags erst wieder an“, sagt sie. Dann ist ihre Aufmerksamkeit ganz bei ihren Kindern. Den Schritt in die Selbstständigkeit hat sie nie bereut. Sie sagt aber auch: „Ich habe schon immer viel gearbeitet – aber wahrscheinlich noch nie so viel wie jetzt.“ Sie fragt sich, warum nicht viel mehr Unternehmen dieses Potenzial vieler Mütter stärker nutzen. Sie möchte alle Mütter ermuntern, einfach zu starten statt unzufrieden zu Hause zu sitzen. „Frauen hadern zu lange. Einfach mal machen! Und bei der Haushalts- und Familienarbeit auch die Männer unbedingt mit ins Boot holen.“ Bei ihr zu Hause in Ahrensburg hat sie ein Netzwerk aus Helfern aufgebaut – ihr Mann holt die Kinder an einem Nachmittag von der Schule ab, Großeltern und ältere Nachbarn haben fest verabredete Nachmittage mit den Kindern.

Darüber hinaus gibt es zwei Babysitter, die abends übernehmen können. Am schlimmsten sind manchmal die anderen Mütter. Es gebe noch immer viele Vorurteile gegenüber Müttern, die sich stark im Beruf engagieren. „Von anderen Müttern hört man noch immer den Satz: Wozu kriegt man denn Kinder, wenn man dann doch nur arbeitet?“ Sicherlich, manchmal zerreiße es ihr das Herz, wenn sie nicht bei ihren Kindern sein kann, wenn diese wichtige Aktionen in der Schule haben. Sie versucht es immer einzurichten. Als Selbstständige sei sie trotz der vielen Arbeit flexibler als eine Angestellte.

Susanne Goedeke

Erst hat sie sich intensiv mit ihren eigenen Jobaussichten beschäftigt, heute möchte Susanne Goedeke anderen Müttern helfen, sich beruflich zu orientieren. Die 43-Jährige hat eine E-Mail-Coaching-Ausbildung absolviert und arbeitet nun als Beraterin für Frauen, die mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden sind. Bei dieser Methode, die Mindful Analysis Methode heißt, hilft sie den Müttern, mit denen sie ausschließlich über E-Mail kommuniziert, durch gezielte Nachfragen Ordnung in deren Gedanken zu bringen, sodass die Mütter selbst eine Lösung für ein Problem finden (www.dieeulerei.de). Es ist eine Mischung aus Beratung, Seelsorge und Psychotherapie. Die Mutter einer sieben Jahre alten Tochter hatte lange versucht, beruflich weiterzukommen, das war aber schwierig. Der Grund: Sie kam schwanger von Berlin nach Hamburg.

Später war es nach Elternzeit und Abschluss des Fernstudiums zur Webdesignerin auch nicht möglich, aus der Selbständigkeit heraus eine Festanstellung zu bekommen, obwohl sie hoch qualifiziert war – mit einer Berufsausbildung als Physiotherapeutin, einem Universitätsdiplom in Rehabilitationspädagogik und einem Fernstudium-Diplom. Sie hatte als selbstständige Webdesignerin gearbeitet, aber die jungen Leute in der Branche, sagt sie, seien eine starke Konkurrenz. Sie hätte sich ständig fortbilden müssen – schwierig mit Kind. Ihr Mann ist der Hauptverdiener, und Susanne Goedeke versucht, sich ein Berufsleben aufzubauen.

Da sie ihr Coaching von zu Hause aus anbietet und lediglich einen Computer in ihrem Wohnzimmer auf der Uhlenhorst dafür benötigt, lässt sich das gut mit dem Leben als Mutter vereinbaren. Ihre Tochter ist bis 15.30 Uhr in der Schule. Ihr Geschäftsmodell läuft noch schleppend an, aber sie hat es auch erst vor wenigen Wochen gestartet. Umso wichtiger ist ihr der Austausch mit anderen Frauen in ähnlicher Situation. „Es geht darum, sich zu bestärken oder auch mal Zweifel zu äußern. Meist herrscht große Konkurrenz unter Müttern, aber bei Mompreneurs werden Mütter zusammengebracht, um sich zu unterstützen. Das, was Männer schon lange machen.“ Aber Frauen, sagt sie, vermischen dabei häufig Berufliches und Privates. Sie müssten sich aber auf eines beschränken, beides zusammen gehe nicht.

Alexandra Widmer

Alleinerziehend mit zwei Töchtern (vier und sechs). Das hatte sich Alexandra Widmer aus Stellingen anders vorgestellt. Die Beziehung zu ihrem Mann war vor knapp drei Jahren zu Ende, heute lebt die 38-Jährige mit ihren Töchtern allein. 23 Stunden pro Woche arbeitet die Ärztin und Psychotherapeutin in einer Praxis in Hoheluft-Ost, die übrige Zeit verbringt sie mit ihren Kindern und baut sich nebenbei ein weiteres berufliches Standbein als Coach auf. Per Skype und per Telefon hilft sie Frauen in ähnlichen Situationen. „Ich unterstütze Alleinerziehende und helfe ihnen, einen Burnout zu vermeiden.“ Sie kümmert sich dabei ausschließlich um die gesundheitlichen Aspekte, nicht um die finanzielle und rechtliche Situation. „Alleinerziehende sind überproportional von Burnout bedroht und haben ein erhöhtes Risiko für depressive Erkrankungen.“ Aus persönlicher Erfahrung weiß sie, dass die neue Lebenssituation auch die Stärkste umhauen kann. „Als ich verlassen wurde, brach eine Welt für mich zusammen. Ich stand ziemlich verloren da und wusste nicht, was ich als erstes und letztes machen sollte. Es gab online sehr viel Rat zu sozialen und rechtlichen Themen. Ich vermisste aber eine Gemeinschaft, in der ich mich ausreichend emotional unterstützt fühlte.“

Vor zwei Jahren hat sie begonnen, sich zu informieren, weil sie selbst emotionale Hilfe brauchte. Gefunden hat sie darüber nichts. Also nahm sie sich selbst dieses Themas an. Sie gibt Ratschläge und hilft seit dem Sommer sowohl Frauen als auch Männern. „Mein Traum ist es, mit Krankenkassen ein Programm für Alleinerziehende zu entwickeln.“ Sie ist voller Tatendrang und Energie, auch wenn das anstrengend ist.

Kommt sie aus der Praxis, holt sie ihre Kinder aus der Kita gleich neben ihrer Wohnung ab. An ihrem neuen Geschäftsmodell arbeitet sie überwiegend abends und an ihrem freien Tag am Mittwoch. „Es nervt mich, dass ich jahrelang studiert habe und aufgrund meiner begrenzten Zeit mein Wissen gar nicht nutzen kann.“

Was sie als Teilzeitkraft in der Praxis verdient, sei zu wenig, sagt sie. Sie war seit zwei Jahren nicht mit ihren Töchtern im Urlaub, in der Wohnung hat sie zwei Untermieter, um finanziell über die Runden zu kommen. Ihr Portal www.starkundalleinerziehend.de läuft gut an. In ihrem E-Mail-Verteiler sind schon 1200 Interessenten. Davon leben kann sie noch nicht. Doch irgendwann möchte sie das zu ihrem Beruf machen. Außer dem Coaching bloggt sie zum Thema und produziert eigene Internet-Podcasts in ihrem Wohnzimmer. Sie hat aber noch Energie übrig, um mit ihrer Kollegin Diana Schmeiser Mompreneurs in Hamburg weiter aufzubauen.