Kritik an dem Pilotprojekt selbst von Radfahrern. Eltern fordern bereits Erhalt des alten Radwegs, weil die neue Fahrbahn viel zu unübersichtlich sei.

Hamburg. Auf dem großen Plakat am Beginn der neuen Fahrradstraße sieht alles noch ganz nett aus: Vater, Mutter und zwei Kinder radeln nebeneinander, ein großes Tempo-30-Schild weist darauf hin, dass die Autos hier langsam fahren müssen. Doch tatsächlich dürfte das Nebeneinanderradeln auf dem Harvestehuder Weg so gemütlich sein wie ein Spaziergang auf der B5. Die neue Alster-Radstraße jedenfalls darf weiter als Durchgangsstraße genutzt werden, und auf die Fahrbahn verlegte Parkplätze erweisen sich als Engstellen, wo sich Radler und Autos stauen. Insbesondere wenn es dunkler wird, preschen viele Autos vorbei – und nur wenige Radler wagen sich dann überhaupt noch auf die Piste, auf der sie seit Anfang Dezember Vorrang haben sollen. Tatsächlich nutzen viele offensichtlich immer noch lieber den engen Radweg, den der Bezirk Eimsbüttel demnächst aufheben will.

„Eine Katastrophe wäre das“, sagt dazu etwa Till Behrend aus Winterhude. Der Vater eines zehnjährigen Sohnes ist selbst passionierter Radfahrer, auch auf dem Weg zur Arbeit. Der Radweg müsse für Schulkinder erhalten bleiben, fordert er. Für Kinder sei die neue Fahrradstraße viel zu gefährlich.

Ähnlich harsch fällt dann auch das Urteil auf dem Radfahrer-Internetblog „Hamburgize.com“ aus, der sich regelmäßig der Positiv- und Negativbeispiele der Hamburger Radverkehrspolitik annimmt. Fazit zum Harvestehuder Weg: Der 1,5 Millionen Euro teure Umbau, den der SPD-Senat zum Ende des Jahres noch vorangetrieben hat, ergebe im Vorher-nachher-Vergleich „keine Verbesserung“, vielmehr sei das Ziel dieser Straße „vollkommen verfehlt“. Die Plakate zum Nebeneinanderfahren seien nichts weiter als „Etikettenschwindel“.

Nicht ganz so harsch, aber auch nicht freundlich fällt die Einschätzung des Allgemeinen Deutschen FahrradClubs (ADFC) aus. Dieser Weg sei wahrlich kein „Meilenstein“ für den Radverkehr in Hamburg, sagt ADFC-Sprecher Dirk Lau. Vor allem, weil dort immer noch ganz normaler Kfz-Verkehr erlaubt ist. „Das widerspricht doch der Grundidee“, sagt er.

Tatsächlich ist im Laufe der Planung die Idee der Fahrradstraße offenbar aufgeweicht worden, nachdem Kritik von Anwohnern und Autofahrern laut geworden war. Gab es zunächst Überlegungen, nur den Anliegerverkehr zuzulassen, ließ die Behörde schließlich auch den normalen Besucherverkehr zur Alster zu. Eine Entscheidung, die vor allem die Hamburger CDU als Erfolg für sich verbuchte. Doch mit dem Ergebnis ist man offensichtlich auch nicht zufrieden. Der Nord-Bezirksabgeordnete Christoph Ploß fordert gar einen Stopp des Fahrradstraßenprogramms an der Alster.

Tatsächlich ist der Harvestehuder Weg nun der Anfang einer Planung, an deren Ende zwei zentrale Fahrradachsen an der Alster stehen sollen. Die Realisierung ist nach bisherigem Stand in zehn Abschnitten geplant, an der Umsetzung der vier weiteren Abschnitte Alsterufer, Krugkoppel, Fernsicht und Bellevue soll bereits zu Beginn des neuen Jahres intensiv geplant werden. Die Fahrradstraßenplanung für die Sierichstraße sowie Fährhausstraße, Schöne Aussicht, Eduard-Rhein-Ufer und am Abschnitt An der Alster soll Ende 2015 starten. Wann genau die Bauarbeiten beginnen, ist aber noch offen, denn der Harvestehuder Weg gilt als Pilotprojekt, mit dem die beteiligten Bezirke Mitte, Eimsbüttel und Nord sowie die Verkehrsbehörde Erfahrungen sammeln wollen. Der Umbau der 1,25 Kilometer langen Strecke galt zudem als recht einfach, weil dabei keine Bäume gefällt werden mussten. Zudem gab es von Radfahrern auch immer wieder Kritik an dem vorhandenen Radweg im Alstervorland, weil der im Winter aus Rücksicht auf die Bäume nicht gestreut wurde und so als zentrale Fahrradverbindung regelmäßig ausfiel.

Die Erfahrungen mit der neuen Strecke sollen in weitere Planungen einfließen

Nun gibt es auf der früheren Straße zwei breite Radfahrbahnen, allerdings auch Parkplätze, um das Tempo der Autos zu drosseln. Parkplätze zwischen den Bäumen fielen dafür weg. Auf der Fahrradstraße hat der Radverkehr offiziell Vorrang, was sich bei näherer Betrachtung aber eben als zweifelhaftes Vorrecht erweist.

Dennoch soll der alte Radweg demnächst aufgelöst werden. „Die Bezirksversammlung hat sich am 18. Dezember dafür ausgesprochen, den vormaligen Radweg aufzuheben und zu renaturieren“, teilt dazu das Bezirksamt Eimsbüttel mit. Doch ein wenig vorsichtiger ist man nach der lauten Kritik offenbar dennoch geworden. Die endgültige Entscheidung über den Rückbau liege aber bei der Verkehrsbehörde, so das Bezirksamt. Fragt man aber bei der Verkehrsbehörde nach, heißt es: Die Entscheidung liege beim Bezirk.