AfD-Politiker Nockemann attackiert Kampnagel-Intendantin: In anderen Staatsformen würde Ihnen was blühen ...

Hamburg. Bei einer Podiumsdiskussion zur Flüchtlingspolitik in Hamburg ist es im Thalia-Theater zum Eklat gekommen. Dirk Nockemann, ehemaliger Hamburger Innensenator und jetzt Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD), verteidigte vehement die Strafanzeige seiner Partei gegen Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard, weil diese auf dem Kampnagel-Gelände eine Winterunterkunft für Flüchtlinge als Kunstprojekt ins Leben gerufen hatte. Die Flüchtlinge haben sich bei der Ausländerbehörde bislang nicht registrieren lassen, sie stammen aus Westafrika und waren in Libyen als Gastarbeiter tätig. Nockemann wandte sich direkt an Deuflhard: „In einer anderen gesellschaftlichen Form würde Ihnen etwas ganz anderes blühen als diese Anzeige!“ Deuflhard reagierte empört. „Sie hetzen auf und tragen nichts zur Problemlösung bei“, sagte sie. „Kunstfreiheit ist in der Demokratie eines der kostbarsten Güter. Diese Freiheit hat natürlich ihre Grenzen, wenn ein Regisseur plötzlich die Idee hätte, eine Schauspielerin erschießen zu lassen, weil das Stück dadurch realistischer wird.“

Die Anzeige wegen Verdachts der Beihilfe zu Ausländerstraftaten und der Untreue war das Ausgangsthema der Gesprächsrunde, die Thalia-Intendant Joachim Lux kurzfristig einberufen hatte und die Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider nach einer Vorstellung von Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ moderierte. Die hitzig geführte Debatte wurde immer wieder durch Protestrufe gegen Nockemanns Äußerungen unterbrochen. Der AfD-Politiker betonte den Vorrang von Recht und Gesetz. „Ein Künstler bastelt sich seine eigene subjektive Welt. Was draußen geschieht und die Gesetzeslage sind ihm völlig wumpe“, meinte das frühere Mitglied der Schill-Partei und forderte Künstler auf: „Stellen Sie sich verdammt noch mal nicht außerhalb des Gesetzes! Wer die Meinung in diesem Lande macht, sind Kulturschaffende wie Sie.“

„Die Schutzbefohlenen“ thematisiert den Umgang mit der Flüchtlingsproblematik. Regisseur Nicolas Stemann lässt darin auch Flüchtlinge auftreten. Er verteidigte die Positionierung der Kunst in Debatten: „Es gibt in Europa eine lange Tradition, dass Kunst nicht nur ästhetische Grenzen übertritt, sondern auch Grenzen, die legal gezogen sind.“ Diese Freiheit ende erst, wenn „Gefahr für Leib und Seele“ bestehe. Lux sagte: „Ich bin absolut auch der Meinung, dass Kunst sich im Sinne von zivilem Widerstand selbstverständlich mindestens – zurückhaltend ausgedrückt – bis an den Rand von Gesetzen begeben darf.“ Pfarrer Sieghard Wilm (St. Pauli Kirche) erklärte: „Kunst muss eine Wunde offenhalten, das ist sie der Gesellschaft schuldig.“