Polizei warnt: riskantes Verhalten bei Fußgängern, Rad- und Autofahrern. Experte: 8100 Unfälle in der Hansestadt

Hamburg. Autofahrer, die bei 50 km/h am Steuer ein Selbstporträt mit dem Handy knipsen, Radfahrer, die freihändig eine SMS tippen, Fußgänger, die nur Augen für ihr Smartphone haben und bei Rotlicht die Straße queren – moderne Kommunikationsmittel gefährden die Sicherheit auf Hamburgs Straßen. Polizei, ADAC und Verkehrsforscher warnen vor leichtfertigem Umgang mit den Geräten. Das Unfallrisiko steige deutlich – und zwar für alle Verkehrsteilnehmer. Der Duisburger Verkehrsforscher Prof. Michael Schreckenberg schätzt, dass von den 2,4 Millionen Verkehrsunfällen in Deutschland pro Jahr mindestens 300.000 auf die Ablenkung durch Handys zurückgehen – umgerechnet auf Hamburg sind das mehr als 8100 Unfälle pro Jahr. Zwar liegen aktuell keine Zahlen vor. Doch „man hat den starken Eindruck, dass dieses Phänomen stark zugenommen hat, bei Auto- und Fahrradfahrern“, sagt Ulf Schröder, Leiter der Verkehrsdirektion der Polizei Hamburg.

„Gerade für junge Menschen ist es eine Notfallsituation, wenn sie einmal nicht online sind“, sagt Verkehrsforscher Schreckenberg. Jeder dritte Autofahrer zwischen 18 und 25 Jahren nutze regelmäßig während der Fahrt sein Smartphone zum Telefonieren, für Facebook, um eine SMS zu schreiben, sogar zum Spielen. In den USA ist man statistisch weiter: Dort kommen mehr als 3000 Menschen pro Jahr am Steuer ums Leben, weil sie am Smartphone herumdaddeln. Laut einer Studie erhöht das SMS-Lesen oder -Schreiben die Unfallgefahr um das Doppelte. Die Nutzung eines Handys während der Fahrt entspreche einem Blutalkoholspiegel von 0,8 Promille. Wer bei Tempo 50 nur fünf Sekunden nicht auf die Straße schaut, fährt 70 Meter im Blindflug.

Wie die Polizei geht der ADAC Hansa davon aus, dass zahlreiche Unfälle auf Handymissbrauch zurückgehen. Inzwischen lassen Hamburger Ermittler nach Unfällen die Verbindungsdaten der Geräte auslesen, wenn Hinweise vorliegen, dass der Fahrer durch ein Smartphone abgelenkt war. „Handys während der Fahrt zu benutzen ist ein schwerwiegendes Sicherheitsproblem“, sagt ADAC-Sprecher Christian Hieff. Das Problem betreffe auch Radfahrer und Fußgänger, allerdings seien die Folgen bei Autounfällen größer.

Auf dem Deutschen Verkehrsgerichtstag im Januar in Goslar ist das Thema Schwerpunkt. Experten sehen in der Ablenkung durch Smartphones ein riesiges Gefährdungspotenzial, weil die Anwendungsvielfalt der Geräte so groß und das Entdeckungsrisiko gering ist. Der Hamburger Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) sieht jedoch keinen Anlass zur Sorge: Radfahrer mit Handy am Ohr seien keine häufige Unfallursache. „Denn auf dem Rad zu telefonieren, setzt einige Geschicklichkeit voraus, meist wird die Geschwindigkeit dabei automatisch deutlich reduziert.“