Architektenkammer vergleicht Attraktivität der Stadt mit Bielefeld. „In 20, 30 Jahren wird man den Kopf schütteln.“

Hamburg . Das Wohnungsbauprogramm des SPD-Senats ist zwar erfolgreich – seit Regierungsantritt im Jahr 2011 wurden in der Hansestadt bereits 35.000 Baugenehmigungen erteilt. Doch an den fertig gebauten Wohngebäuden gibt es jetzt auch heftige Kritik von Fachleuten.

So mahnt die Hamburgische Architektenkammer in ihrem neuen Jahrbuch „mehr Qualität“ an und warnt vor „Monotonie“ in den Neubausiedlungen, über die man in 20, 30 Jahren den Kopf schütteln werde, wie Kammersprecher Claas Gefroi sagt.

Der Senat habe ein Wohnungsbauprogramm im großen Stil ohne die geringsten inhaltlichen Vorgaben gestartet, heißt es in dem im Junius Verlag erschienenen Jahrbuch, das sich jedes Jahr besonderen Neubauten in der Stadt widmet und dabei auch nicht mit teils ätzender Kritik spart.

Als Negativbeispiele werden dabei vor allem die Projekte Othmarschen Park in Bahrenfeld und auch die Stadtgärten in Lokstedt sowie das Stadtpark Quartier auf dem ehemaligen Güterbahngelände in Barmbek genannt. „Wenn jedoch im Wohnungsbau nur noch in Quantitäten und nicht mehr in Qualitäten gedacht und geplant wird, werden die Fehler der 1960er- und 1970er-Jahre wiederholt“, schreibt Gefroi in seinem Beitrag zu dem Buch.

So sei zwar im Bündnis für das Wohnen genau festgelegt, welcher Bezirk in welchem Zeitraum wie viele Wohnungen zu schaffen habe – keine Aussage gebe es hingegen „für wen da was und wo gebaut werden soll“. Das Ergebnis sei die „immer gleiche mittlere Dichte und immer gleiche Form“. In all diesen Siedlungen solle gewohnt werden – und sonst nichts. Belebende Erdgeschossnutzungen wie Läden, Raum für kleine Unternehmen, Werkstätten oder eine Kneipe würden dort fehlen, kritisiert die Kammer und warnt: „Die Attraktivität Hamburgs liegt nicht darin, ein großes Bielefeld zu werden.“

Als eine Art Gegenentwurf zu den kritisierten Neubausiedlungen führt das Kammer-Jahrbuch das Katharinenquartier in der Altstadt auf, das direkt neben Hamburgs ältester Kirche wieder Wohnen in einem Stadtteil möglich macht, der eher durch Büros und Geschäfte geprägt sei. Ein „begrüßenswertes Projekt“, das erst durch das Aufbegehren der Bürger und den Konsenswillen aller Beteiligten zu einem „überzeugenden Stadtbaustein“ geworden sei.

Tatsächlich hatte es gegen die ursprünglich geplante Bebauung des früheren Schulgrundstücks massiven Protest und etliche öffentliche Diskussionsrunden gegeben. Vor allem, weil durch die ersten Entwürfe der Blick auf die Kirche völlig verstellt worden wäre. Allerdings hat wohl auch dieses Quartier einen nicht unerheblichen Schönheitsfehler: Bei Mietpreisen zwischen 16 und 17 Euro pro Quadratmeter zeige sich das neue Wohngebiet in der City leider eher als Luxuswohnquartier, heißt es in dem Jahrbuch.

Neben dem Thema Wohnungsbau beschäftigt sich die Kammer in ihrem Jahrbuch 2014 auch mit etlichen weiteren und höchst unterschiedlichen Neubauten, die von mehreren Architekturkritikern betrachtet werden. So nahm sich beispielsweise Dirk Meyhöfer des neuen InnovationsCampus der Handelskammer an, dem er „ein starkes Stück Architektur“ bescheinigt.

Lob gibt es für das rote Entertainmenthaus auf St. Pauli

Lob der Kritiker gibt es in dem Buch aber auch für das rote Entertainmenthaus an der Ecke Simon-von-Utrecht-Straße und Große Freiheit auf St. Pauli. Ein Gebäude, das Kritiker offensichtlich zu besonders fantasievoller Beschreibung reizt: „Wir freuen uns an seinem Straßenauftritt daran, dass es nicht als kleinkariertes Altstadtimplantat verziert wurde, sondern als große Geste dem anschließenden Nachtgewerbe trotzt“, heißt es dort.

Nicht fehlen darf in einem Jahrbuch der Hamburgischen Architektenkammer die neue Hamburger Bau-Uni, also der Neubau der HafenCity Universität. Recht schonungslos beschreibt Autor Lars Quadejacob das Planungsdesaster, das sich die Stadt ausgerechnet bei ihrer neuen Planer-Uni geleistet hat.

Wegen explodierender Baukosten mussten viele anspruchsvollen Ausstattungsdetails wieder gestrichen werden. Aber es gibt wohl Hoffnung. Der „Gesamteindruck“ bleibe zwar im Rahmen durchschnittlicher Bürohausarchitektur, schreibt der Autor. Dafür aber hätten die Nutzer eindrucksvolle Innenräume und Ausblicke erhalten.