Hamburger Geheimnisse: Heute: Klopstocks Grab

Ottensen. Kopfhörer sollte man an diesem Ort tragen. Schalldichte, wie Bauarbeiter oder Holzfäller sie benutzen. Dann ist der Besuch wie eine Zeitreise, und man befindet sich an einem Ort, der sehr romantisch, fast ein wenig verwunschen wirkt. Dabei befindet er sich mitten in der Großstadt: Der Hafen ist nah, das Altonaer Rathaus, die Max-Brauer-Allee – und damit eben auch der Lärm. Da passen diese kleine, alte Backsteinkirche und der Friedhof so gar nicht hinein, doch genau das macht den Kirchhof so besonders.

Zumal dort seit mehr als 200 Jahren ein Mann begraben liegt, der verehrt wurde wie ein Popstar. Jahrzehntelang war es ein Wallfahrtsort für Anhänger, er wurde zum Namensgeber für die Kirche – doch heute weiß kaum mehr jemand etwas mit ihm anzufangen: Friedrich Gottlieb Klopstock (1724–1803). Unter einer alten Buche liegt der Aufklärer, Schöpfer des Gesangsepos „Messias“, unter einem großen Grabstein.

Reiche und berühmte Männer wollten in Klopstocks Nähe begraben werden

„Als er 1803 beerdigt wurde, gab es eine große Prozession zu seinem Grab. Manchen Berichten zufolge sollen 20.000 Menschen dabei gewesen sein“, sagt Kai-Uwe Scholz. Die nach dem dänischen König Christian VI. (1699–1746) benannte Christianskirche war bereits 1738 erbaut worden: ein schlichter Backsteinbau mit einem einfachen Turm. So einfach, dass der Volksmund von der Kirche als einem „Krintenspieker“, einem Korinthenspeicher, sprach. „Es gibt auch kein Bild der frühen Kirche, sie war genau wie das Dorf Ottensen wohl zu unbedeutend“, sagt Scholz, der sich als Gemeindemitglied, Literaturwissenschaftler und Journalist mit der Geschichte des Ortes befasst hat. Erst das Grab des großen Dichters machte die Kirche berühmt. Und während Kirchenbilder sonst eigentlich immer die Ansicht des Hauptportals zeigen, ist die Christianskirche meist aus südlicher Richtung dargestellt worden: mit dem Klopstockgrab im Vordergrund. Das hatte eine so große Anziehungskraft, dass reiche und berühmte Männer unbedingt in seiner Nähe begraben werden wollten.

Der 1724 in Quedlinburg geborene Klopstock war der Liebe wegen nach Hamburg gekommen. Auf der Durchreise nach Dänemark hatte er Margareta Moller kennengelernt, die er 1754 heiratete. Dieser großen Liebe war kein langes Glück beschieden, „Meta“ starb bereits 1758 und wurde an der Christianskirche begraben. Seitdem stand fest, dass auch Klopstock hier seine letzte Ruhestätte finden würde. Seine größte Bedeutung bestand wohl darin, dass er so großen Einfluss auf nachfolgende Dichtergenerationen hatte. Er war der Erste, der Hexameter im Deutschen verwendete; er war der Aufklärung verpflichtet, aber nicht der reinen Vernunft, sondern der „Empfindsamkeit“. So wurde er zum Wegbereiter des „Sturm und Drang“, mit dem junge Poeten wie Goethe, Schiller und Herder berühmt wurden.

Nach einigen Jahren in Kopenhagen zog Klopstock 1771 wieder nach Altona und blieb dort – unterbrochen von einer kurzen Zeit in Baden – bis zu seinem Tod. Mit 67 Jahren heiratete er noch einmal, bezeichnenderweise die Nichte seiner verstorbenen Frau, die nach ihrem Tod ebenfalls neben ihm bestattet wurde.

Begraben wird auf dem Kirchhof schon lange niemand mehr, die letzte Beerdigung fand 1922 statt.