Die Rechtslage ist kompliziert, deshalb gibt es oft Verwirrung, was Radler dürfen und was nicht. Jetzt werden in Lurup die ersten Schilder aufgestellt.

Lurup. Die Luruper Hauptstraße wirkt auf erstem Blick nicht gerade als ideale Radfahrerpiste: Sie führt von der Landesgrenze Richtung City oder auch hinaus, Pkw und Lkw fahren hier in flottem Tempo auf insgesamt vier Spuren. Und doch gehört der Altonaer Straßenabschnitt zu den Hamburger Straßen, für die die Innenbehörde jüngst die sogenannte Radwegebenutzungspflicht aufgehoben hat. Zum ersten Mal in Hamburg wurden dort jetzt zudem spezielle Verkehrsschilder aufgestellt, die darauf hinweisen, dass man hier nun auch auf der Straße radeln kann. „Viele Autofahrer, aber auch manche Radfahrer wissen oft nicht, dass man auf solchen Straßen die Fahrbahn zum Radfahren nutzen kann“, sagt Rupert Schubert, der in der Innenbehörde für Grundsatzfragen des Verkehrswesens zuständig ist.

Etwa sechs Wochen lang sollen die Schilder an der Luruper Hauptstraße über die Neuerung informieren, danach werden sie voraussichtlich wieder abgebaut. Geplant sind solche Schilder künftig auch in den anderen Hamburger Bezirken – sobald dort eine Benutzungspflicht aufgehoben wird. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) in Hamburg hatte diese Schilder schon seit Längerem gefordert, in anderen Städten wie Köln oder München gebe es sie bereits seit einigen Jahren. „Wir brauchen so etwas als Zeichen der Aufklärung“, sagt Clubsprecherin Merja Spott. Immer wieder würden Radfahrer auf der Fahrbahn von erbosten Autofahrern angehupt, weil sie sich vermeintlich falsch verhalten. „Dabei darf man oft selbst dann auf der Straße Rad fahren, wenn parallel noch ein Radweg vorhanden ist“, sagt Spott.

Hinter dieser Forderung nach einem zusätzlichen Hinweis steckt ein alter Streit zwischen der Fahrradlobby und den Behörden in Hamburg über die Benutzungspflicht von Radwegen: Begonnen hatte er quasi schon 1997, als die Straßenverkehrsordnung in Deutschland geändert wurde. Fahrräder gelten seitdem als ganz normale Fahrzeuge, die genauso wie Autos auf der Straße unterwegs sein können. Aus Sicherheitsgründen wurde dann aber vielerorts wie auch in Hamburg eine Flut von Benutzungspflichten eingeführt. Die blauen, runden Schilder mit weißem Fahrradsymbol zeigen sie in der Regel an. Das Problem ist nur, dass besonders in Hamburg viele der benutzungspflichtigen Radwege äußerst schmal und kaputt sind. Zudem können nach neuerer Rechtsprechung Benutzungspflichten nur dann angeordnet werden, wenn auf der Straße für Radler außerordentliche Gefahrenlagen zu erwarten sind. Etwa wenn der Lkw-Anteil besonders hoch ist. Anderseits darf ein Zwang zur Benutzung nur dann gelten, wenn der Radweg auch entsprechend ausgebaut ist. Aus Sicht der Innenbehörde muss er mindestens einen Meter breit sein, aus ADFC-Sicht mindestens 1,50 Meter.

Seit etwa 2005 lässt die Behörde daher die Benutzungspflichten in Hamburg verstärkt überprüfen, und immer mehr Straßen werden für Radler freigegeben. Ziel sei, dass nur noch an den wirklich großen Straßen eine Radwegepflicht bleiben soll, so Schubert. Doch tatsächlich geht es mit dem Aufheben ziemlich langsam voran, weil dann Ampelschaltungen verändert werden müssen, um für die langsameren Radler längere Grünphasen zu bekommen. Oft genug schon haben daher Radfahrer die Behörden wegen „Untätigkeit“ verklagt und recht bekommen. So jüngst zum Beispiel in vier Fällen in Eimsbüttel, wo demnächst die Benutzungspflicht für die Hoheluftchaussee, den Eppendorfer Baum, Nedderfeld und den Lokstedter Weg fallen wird.

Der ADFC unterstützt solche Klagen in der Regel und propagiert das Fahrradfahren auf der Straße. Dort würden Radfahrer von Autofahrern nicht so schnell übersehen. Auf Radwegen hingegen würden die Radler leicht aus dem Blickfeld des Straßenverkehrs verschwinden – beim Abbiegen komme es dann häufig zu gefährlichen Zusammenstößen.

Eine Argumentation, die mittlerweile auch von der Innenbehörde geteilt wird. Und tatsächlich setzt auch die Stadt vermehrt darauf, dass sich künftig Auto- und Radfahrer die Straßenfahrbahnen teilen werden. An immer mehr Ecken der Stadt werden dazu spezielle Radfahrstreifen angelegt. Aktuell zum Beispiel vor den Landungsbrücken, wo der enge Verlauf eines gemeinsamen Rad- und Gehweges immer wieder zu Ärger geführt hat. Zudem lässt die Verkehrsbehörde derzeit das gesamte, etwa 1500 Kilometer lange Radwegenetz der Stadt überprüfen. Rund ein Drittel, schätzt Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD), müsse wohl ersetzt werden. Häufige Alternative werden dann Radfahrstreifen auf der Straße sein.