Harald Harmstorf war 1975 damit beauftragt, die havarierte „Uwe“ zu bergen. Ein Unternehmen, das gründlich scheiterte

Blankenese. Es sieht aus, als ob jemand ein ganzes Schiff in den Boden gerammt hätte. Mit einem Winkel von etwa 45 Grad ragt das Heck der „Uwe“ in die Höhe, vor allem bei Ebbe ist es ein skurriles Bild. Wenn Harald Harmstorf hier am Falkensteiner Ufer am Strand steht und auf das Wrack schaut, dann läuft in seinem Kopf immer wieder der ganze Film ab. „Das war die beschissenste Bergung in der Firmengeschichte“, sagt er dann und lacht. Die Geschichte der Firma Harmstorf und Söhne ist übrigens 150 Jahre alt.

Wenn Harmstorf anfängt zu erzählen, hat man den Eindruck, das Ganze sei vergangene Woche passiert, so präsent hat er alle Details. Dabei begann alles am 19. Dezember 1975. Die „Uwe“, ein Binnenschiff, hat bei der Norddeutschen Affinerie 600 Tonnen Kupferschlacke geladen, die zur Uferbefestigung genutzt werden soll. Vor Wittenberge, weiter stromabwärts, wird die „Uwe“ von dem Frachter „Wiedau“ überholt, doch die entgegenkommende „Miecsylaw Kalinowski“ – ein polnischer Frachter – läuft aus dem Ruder. Die „Wiedau“ wird gerammt und kollidiert wiederum mit der „Uwe“. Beide Schiffe sinken und zwei Besatzungsmitglieder kommen ums Leben.

„Wir sind gleich angerufen worden“, erzählt Harald Harmstorf, dessen Familienunternehmen im Besitz von Bergungsschiffen und Tauchern ist. „Wir hatten damals einen Pauschalvertrag mit dem Amt für Strom- und Hafenbau“, erinnert er sich.

Doch die Rettungskräfte können nicht gleich aktiv werden. Die „Wiedau“ liegt über der „Uwe“ und soll von der Reederei Bugsier selbst geborgen werden. „Die haben erzählt, dass sie zehn Tage brauchen“, sagt der Unternehmer. „Gedauert hat es dann aber zehn Wochen.“

Das Problem ist die sehr starke Strömung. Die Taucher können immer nur maximal eine halbe Stunde bei „Stauwasser“ arbeiten, das ist die Zeitspanne zwischen Ebbe und Flut. Zu den anderen Zeiten machen Ober- und Unterströmung den Einsatz unmöglich. Also können Harmstorf und seine Männer erst Ende Februar 1976 mit der Bergung beginnen. „Man hat uns gesagt, dass das Schiff längs liegt. Und das wäre gut gewesen. Tatsächlich lag die ,Uwe‘ quer zum Fluss“, erzählt Harmstorf. Deswegen ist es fast unmöglich, das Schiff auszubaggern, um es leichter zu machen – denn sofort setzt sich wieder Schlick fest. Der Einsatz von großen Greifern scheitert auch an der Strömung. „Also mussten wir es mit Gewalt machen“, sagt Harmstorf. Drei gewaltige Stahlseile wurden unter der „Uwe“ befestigt, um das Schiff zu heben. „Plötzlich gab es einen gewaltigen Ruck. Und ich dachte gleich: Jetzt haben wir das Schiff durchgebrochen“, erzählt der Firmensenior. Und tatsächlich: Das Schiff war in drei Teile zerrissen.

Also wurden die drei Stücke an den Strand bei Falkenstein geschleppt, denn dort hatte die Firma damals noch ihren Sitz. Bug und Mittelschiff wurden an Land gezogen, ausgeschlachtet und verwertet. Drei Monate dauerten die Arbeiten – für einen Pauschalpreis von 130.000 D-Mark. „Gekostet hat es das Doppelte“, sagt Harmstorf. Aber so sei das nun einmal bei solchen Geschäften: Manchmal verdiene man, manchmal zahle man eben drauf. Das Heck des Schiffes durfte aber nicht an Land gezogen werden. „Die Staatsanwaltschaft wollte noch Beweismittel sichern“, sagt Harmstorf. Denn der Unfall auf der Elbe kam natürlich vor Gericht, die Schuldfrage musste geklärt werden und vor allem, welche Versicherung wie viel zu zahlen hat.

Dass Gerichte manchmal ziemlich viel Zeit brauchen, ist bekannt. Für Seegerichtsprozesse gilt das erst recht. 15 Jahre vergingen, bis man sich auf einen Vergleich geeinigt hatte. Die „Miecsylaw Kalinowski“ bekam die Hauptschuld, die „Wiedau“ war mitverantwortlich und die „Uwe“ völlig schuldlos. Doch ihr Heck lag noch immer am Strand und ragte in die Höhe. „Da hatten einige längst das Ruder und die Schraube geklaut“, erzählt Harald Harmstorf schmunzelnd. Die Stadt kam auf ihn zu und forderte ihn auf, das Wrack zu entfernen. „Hätte ich auch gemacht, aber nur gegen eine Extrazahlung. Ich hatte schon genug draufgezahlt“, sagt der Unternehmer. Doch weder die Stadt noch die Versicherungen waren bereit, dafür Geld auszugeben. „Und dann haben die Anwohner hier eine Eingabe gemacht, dass sie das Wrack behalten wollen. Als Erinnerung an das Unglück.“

So kam es dann auch. Viele erfreuen sich an der Attraktion, die immer bei Ebbe zu sehen ist. Alle paar Jahre malt ein Blankeneser sogar den Schriftzug „Hamburg“ neu nach. Und weil nur ein paar Meter weiter das Wrack der 1925 gesunkenen „Polstjernan“ am Strand liegt, ist es schon fast ein kleiner Schiffsfriedhof. Nur Harald Harmstorf schaut am liebsten weg, wenn er an der „Uwe“ vorbeifährt. „Ich will an das Mistding nicht erinnert werden“, sagt er. Und lächelt dann doch.