Die Rohrpost war ein weltweit beachtetes Hightech-Projekt

Altstadt . Oft sind es die kleinen, die unscheinbaren Dinge, hinter denen große Geschichten stecken. Das gilt auch für die beiden alten Rohre, die, ganz im Verborgenen, in einem Lichtschacht der Post am Stephansplatz, auf dem Boden liegen. Unzählige Menschen mögen täglich über das Gitter gehen, das den Lichtschacht verschließt, doch kaum jemand wirft einen Blick nach unten. Warum auch. Wer würde schon in einen Lichtschacht spähen? Hamburg-Kennerin Katja Nicklaus aber hat hinuntergeblickt und die beiden alten Rohre entdeckt, mit denen es eine ganz besondere Bewandtnis hat. „Das sind die letzten Überbleibsel der ersten Hamburger Rohrpost“, erzählt sie. „Sie führte vom 1. Februar 1887 an von der Börse am Adolfsplatz zum Telegraphenamt am Stephansplatz.“

Durch die Rohre von sechseinhalb Zentimeter Durchmesser sausten kleine Kartuschen mit ihrer Fracht. Und die Rohrpost war ein Erfolg und wurde deshalb erweitert. „Später kam dann die Post am Hühnerposten dazu, und die Rohrpost wurde bis zum einstigen Stadtmauerring ausgebaut.“

Der Transport funktionierte durch „Wegpusten und Ansaugen“, erklärt Katja Nicklaus. „Und so praktisch das war, so war die Rohrpost auch ziemlich aufwendig und störanfällig.“ So erfolgreich arbeitete die Rohrpost, dass in den 1960er-Jahren ein Experiment mit der Großrohrpost gemacht wurde, auch hier wurde wieder mit Druck- und Saugluft gearbeitet, mit bis zu 58 Kilometern pro Stunde flitzte die Post durch die Rohre. „Es mussten ja täglich viele Hunderttausend Briefe innerhalb der Stadt verschickt werden“, sagt Nicklaus.

Mit der Planung wurde die Firma Carl August Schmidt & Söhne beauftragt. Erfahrung hatte die Firma bereits, sie hatte in den 1920er-Jahren in Buenos Aires eine Stadtrohrpost gebaut. Doch in Hamburgs Untergrund lauerten viele Probleme. NDR-Journalist Marc-Oliver Rehrmann schreibt: „Mal steht ein Bunker-Rest oder ein Bahndamm im Weg, mal ergießt sich der stinkende Inhalt eines alten Abwasser- Siels in die Baugrube.“ Auch der laufende Betrieb war nicht so ganz einfach: „Die Straßenbahn hat ziemlich geschüttelt, und dann hing die Rohrpost fest“, erzählt Katja Nicklaus. Im Arbeitsalltag seien dann Techniker auf kleinen Wägelchen durch die Rohre bugsiert worden.

Die Ingenieure müssen zierlich gewesen sein, denn die 1765 Meter – später waren es 4000 Meter – lange Rohrpost hatte einen Innendurchmesser von 45 Zentimetern. „Die Kartuschen waren 85 Zentimeter lang, rund 1000 Briefe passten hinein“, berichtet Katja Nicklaus. Auch im Ausland verfolgen Post- Experten das weltweit einmalige Projekt. Aus Israel, den USA, Südkorea, Kanada und der UdSSR reisen Gäste an.“

Die Rohrpost ist schnell. Braucht zweieinhalb Minuten, wo der Transport via Straßenverkehr 20 Minuten gedauert hätte. Aber sie ist auch doppelt so teuer wie der Versand per Auto. „Und die Störanfälligkeit nimmt immer mehr zu“, erzählt Katja Nicklaus. Deshalb wurden 1976 die im 19. Jahrhundert gestartete Rohrpost und die Großrohrpost eingestellt. Die Rohre verlaufen heute noch immer unter dem Asphalt der Stadt. Nur zwei Zeugen, die an die allererste Rohrpost erinnern, sind noch sichtbar: die beiden kleinen Rohre im Lichtschacht am Stephansplatz.