Eine Glosse von Alexander Schuller

Seitdem mein guter Bekannter Paul – Sie wissen schon – in der Volkshochschule einen Sprachkurs „Italienisch für Anfänger“ besucht, ist er vom Bella-Italia-Virus befallen. Alles, was sich nach Italien anfühlt, anhört oder schmeckt, ist certamente sein Ding. Man könne nämlich, so Paul, diese Sprache nur richtig erlernen, wenn man auch das Lebensgefühl Italiens verinnerliche. Und das, fuhr Paul fort, erreiche man am geschicktesten durch häufige Besuche von italienischen Restaurants: einfach nach hinten in die Küche stürmen, den Capo umarmen (Dottore! Sono Paulo, come stai?) und sich von ihm die Leckereien in der „Kühlschublade für besondere Gäste“ zeigen lassen, die nicht auf der Karte stehen.

Leider fanden die Jungs vom Pizzaservice Pauls überraschenden Vorstoß in die Küche nicht so witzig, woraufhin er einen richtigen Dottore aufsuchen musste. Auch sein zweiter Restaurantbesuch missriet: Denn der Inhaber der Trattoria Genovese stammte aus dem Kosovo, sprach kein Italienisch, wollte sich auch nicht von Paul umarmen lassen, sondern verdächtigte ihn des tricki-tracka-in-baracca und warf ihn raus. Notaufnahme, die zweite. So beschlossen wir, Pauls Metamorphoseversuche zu begleiten. Es schien eine weise Entscheidung zu sein: Denn der Kellner der Gelateria Uno sah Luca Brasi, dem Hauskiller der Corleones aus dem „Paten“, Teil 1, frappierend ähnlich. Paul bestellte Eiscafé (Caffè Ghiacciato); zum Glück vor der Bar: „Si prega di prendere un café con glace!“,

„Con glace?“, raunzte der Kellner.

„Si, si!“ sagte Paul lässig.

„Con glace???!!!“ Paul nickte. Luca Brasi nahm kopfschüttelnd unsere Bestellungen auf, verließ uns und kehrte wenig später mit einem Espresso und einer Untertasse zurück, auf der drei Eiswürfel schmolzen. Für Paul. Die Gäste um uns herum wieherten. Alle. Wir auch. Doch Paul ließ die Eiswürfel mit stoischer Miene in seinen Espresso gleiten und sagte dann strahlend: „Seht ihr? Geht doch!“