Bischöfin Kirsten Fehrs und Weihbischof Hans-Jochen Jaschke über das schwere Miteinander und politische Konflikte

St. Georg. Am Anfang dieses Interviews mit den beiden Hamburger Geistlichen standen gleich zwei aus Versehen umgeschüttete Gläser mit Mineralwasser. Doch es war kein Sturm im Wasserglas, der womöglich ein schlechtes Omen für das erste gemeinsame Interview von Hamburgs evangelischer Bischöfin Kirsten Fehrs und dem katholischen Weihbischof Hans-Jochen Jaschke bedeutet hätte. Weil in der Ökumene gegenwärtig nicht alles so rundläuft, will Jaschke ein Zeichen setzen: An diesem Mittwoch feiert er in der Katholischen Akademie sein 25. Bischofsjubiläum – mit vielen ökumenischen Gästen.

Hamburger Abendblatt: Herr Weihbischof, wären Sie gern evangelischer Bischof?
Hans-Jochen Jaschke: Ich habe immer das getan, was auf mich zukommt. Wäre ich evangelisch und hätte ich den Beruf des Pastors gewählt, wäre ich vielleicht auch, und dann gerne, Bischof geworden.

Könnten Sie sich vorstellen, evangelisch zu sein?
Jaschke: Ich bin katholisch erzogen. Aber ich habe das Evangelische in meiner Diaspora-Heimat von Bückeburg oft bewundert. Die hatten ihre Lutherbibel und in der Schule hieß es, es stünden auch nicht jugendfreie Sachen drinnen. Wir hatten nur die Schulbibel und den Katechismus.
Kirsten Fehrs: Ich bin von Herzen gern evangelisch. Für mich bedeutet die evangelische Kirche die Möglichkeit, in Freiheit und im Gespräch mit anderen den christlichen Glauben zu leben. In der katholischen Kirche gibt es aufgrund des Amtsverständnisses oft eine andere Art, miteinander zu reden.

Sie, Herr Jaschke, feiern am Mittwoch ihr 25. Bischofsjubiläum. Warum hält Bischöfin Fehrs die Predigt?
Jaschke: Ich bin dankbar für die Ökumene, und wir feiern sie in unserer Akademie. Der Lutherische Weltbund und die katholische Kirche haben gerade ihren gemeinsamen Bericht „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ veröffentlicht. Es geht darum, wie wir das bevorstehende Reformationsjubiläum 2017 gemeinsam begehen können, ohne Vorbehalte und Missverstände. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten.
Fehrs: Ich finde es eine Ehre, dass er mich gefragt hat, die Predigt zu halten. Weil es in der gegenwärtigen ökumenischen Landschaft keineswegs selbstverständlich ist. Für Hamburg gilt: Wir haben eine ökumenische Annäherung. Insbesondere Weihbischof Jaschke zeichnet sich durch eine ökumenische Weite aus – in seiner Theologie genauso wie in seiner Person.
Jaschke: Ja, wir sind in die Ökumene hineingewachsen. Kaum war ich hier, da wurde Maria Jepsen zur weltweit ersten lutherischen Bischöfin gewählt.

Sie beide galten als Traumduo.
Jaschke: Wir waren ein gutes Team und das gilt genauso für Fehrs und Jaschke.

Die Menschen nehmen wahr, dass die leitenden Kirchenleute zwar gut miteinander können. Aber die Trennung ist nach wie vor unübersehbar.
Jaschke: Die ökumenischen Höhenflüge sind zurzeit eher bescheiden, wir bleiben eher auf dem Boden. Auf beiden Seiten wird der Wille, auf eine gemeinsame Kirche hinzuarbeiten, nicht so sichtbar. Natürlich sind die evangelischen Christen intensiv am Vorbereiten der Feier des Reformationsjubiläums im Jahr 2017. Auch wir Katholiken sind dabei, aber wir denken bei aller großen Bedeutung der Reformation auch an schlimme Verletzungen und Belastungen auf allen Seiten.
Fehrs: Es gibt nach wie vor eine Trennung im Kirchen- und Amtsverständnis. Und beim Abendmahl. An der Basis jedoch wird Ökumene vielfach sehr unkompliziert gelebt.

Erschweren die Theologen mit ihren Papieren und Erklärungen das ökumenische Miteinander?
Fehrs: Nur dann, wenn der Unterton ein abwertender ist. Das gibt es vereinzelt. Da aber, wo dieser abwertende Unterton nicht mitschwingt, kann man mit diesen Trennungen leben – und das Miteinander gut gestalten.
Jaschke: Keine Seite ist „unschuldig“. Nach der Euphorie über die historisch einzigartige Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung aus dem Jahr 1990 kam etwa aus Rom die harsche Aussage, die Evangelischen seien nicht Kirche im katholischen Verständnis. Evangelische Professoren haben das Ihre getan, um die Gemeinsamkeit in den Fragen zur Rechtfertigung abzuschwächen.
Fehrs: Ja, das folgte schnell aufeinander.
Jaschke: Wir können einander sehr wehtun. Wir gehen nicht genügend achtsam miteinander um.

Und jetzt steht die Ökumene still?
Jaschke: Es ist mühseliger geworden.
Fehrs: Dass wir uns in den entscheidenden Streitpunkten in naher Zukunft annähern können, erwarte auch ich nicht.

Die Trennung am Tisch des Herrn bleibt also bis zum St.-Nimmerleins-Tag? (Bischöfin Fehrs und Weihbischof Jaschke verschränken jeweils zeitgleich augenzwinkernd die Arme)
Fehrs: Es gab einige ökumenische Aufbrüche beim Feierabendmahl während des Kirchentages, die Mut gemacht haben, aber ohne Fortsetzung blieben. Ich sehe derzeit nicht, wie wir als Protestanten die Annäherung beim Abendmahl voranbringen könnten.
Jaschke: Wir Katholiken respektieren immer die Entscheidungen der Einzelnen beim Hinzutreten zur Kommunion. Aber ein kirchenoffizielles gemeinsames Abendmahl bleibt für uns entscheidend mit der auch sichtbaren Einheit der Kirche verbunden. Das bleibt ein wunder Punkt: schmerzhaft und beschämend für uns alle.
Fehrs: Der Schmerz der Trennung – er bezwingt uns. Aber diese Spannung treibt Ökumene auch voran.

Würden Sie Bischöfin Fehrs das Abendmahl reichen?
Jaschke: Wenn sie als Bischöfin in der Messe zu mir käme, würde ich ihr hinterher sagen: „Ach, Kirsten, du bringst mich in Verlegenheit.“ Ich würde es ihr aber auf keinen Fall verweigern.

Ein Streitpunkt zwischen Katholiken und Lutheranern in der Hansestadt war jüngst das Thema Flüchtlinge.
Jaschke: Wir halten uns im Namen der Kirche mit konkreten politischen Stellungnahmen zurück. Die einzelnen Katholiken sollen tun und lassen, was sie für richtig halten, auch im politischen Streit. Aber sie sollen nicht im Namen der Kirche auftreten.
Fehrs: Ich habe hier in Hamburg in dieser Frage gar keinen ökumenischen Streit wahrgenommen. Wenn Papst Franziskus sagt: „Mischt euch ein!“ – zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage –, finde ich das richtig. Und zwar deshalb, weil wir mitten in der Welt und nicht jenseits von ihr das Evangelium bezeugen. Es ist also ein Vorurteil, die Evangelischen seien politisch und die Katholischen nicht.
Jaschke: Mir geht es um Parteipolitik und legitime Meinungsverschiedenheiten. Zum Thema Flüchtlinge: Die Katholische Kirche wird immer sagen: Flüchtlinge müssen aufgenommen werden. Sie verdienen alle Hilfe, wir brauchen großmütige, neue Regelungen. Aber in der konkreten politischen Umsetzung sind wir namens der Kirche zurückhaltender.
Fehrs: Ich würde da gerne differenzieren: Wir haben reguläre humanitäre Hilfe geleistet, was wir seit Jahren im Rahmen der Flüchtlingsarbeit tun. Ich stimme Bischof Jaschke zu: Das öffentliche Handeln von Kirche darf nicht aufgrund von Parteipolitik erfolgen, sondern aufgrund unseres christlichen Glaubens.

Genügt es, was die Staatengemeinschaft für die verfolgten Christen und Jesiden derzeit im Irak und Syrien tut?
Jaschke: Wir protestieren, wir helfen, wir fordern. Deutschland muss sich besonders für diese Flüchtlinge öffnen. Kirchengemeinden vor Ort heißen sie willkommen.
Fehrs: Und wir müssen die Menschen in Deutschland mit auf den Weg nehmen, dass wir Flüchtlingen Obdach und Schutz bieten. Gerade jetzt, wo die Welt tobt und wir wahrhaftig einen Kriegssommer erleben, haben wir eine humanitäre Pflicht zu helfen. Denken wir an die Kämpfe in Gaza, in der Ukraine, in Syrien und Irak. Oder an die Schrecken der beiden Weltkriege, derer wir jetzt gedenken.

Was können wir Hamburger tun?
Fehrs: Wir können dafür sorgen, dass die Religionen in unserer Stadt friedlich miteinander auskommen. Gemeinsame Friedensgebete der Weltreligionen wie jüngst hier in Hamburg geschehen setzen ein Zeichen. Da fühle ich mich mit Hans-Jochen Jaschke Seite an Seite.
Jaschke: Wir müssen mit aller Kraft dagegen protestieren, dass Gottes Name für Gewalt und Krieg missbraucht wird. Unsere muslimischen Freunde in Deutschland sagen das auch.

Die Schura hat das gemacht.
Fehrs: Leider wird das nicht ausreichend in der Öffentlichkeit wahrgenommen.
Jaschke: Die Religionen müssen mutig sein. Wenn Menschen wie in Syrien und im Irak in ihrem Leben bedroht und schutzlos sind, brauchen sie tatkräftige Hilfe. Ich stimme der Entscheidung unserer Regierung hier zu.

Sie meinen die Entscheidung der Bundesregierung, die kurdische Armee mit Waffen zu unterstützen?
Jaschke: Ja, aber das muss immer die ganz besondere Ausnahme bleiben. Sie verlangt alle Abwägungen, die möglich sind. Wir bleiben mit einem zweifelnden Gewissen zurück.