Sondermaschine fliegt erkrankten Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation aus Sierra Leone ein. Höchste Sicherheitsstufe verhängt

Hamburg. Das gerade gelandete Flugzeug, eine anthrazitfarbene Gulfstream III, steht am Flughafen auf Vorfeld 2, an normalen Tagen werden hier die Privat- und Charterflieger der Geschäftsreisenden abgefertigt. Doch am Mittwochmorgen macht sich ein Konvoi aus Polizei- und Feuerwehrfahrzeugen auf dem Weg zu dem zweistrahligen Spezialjet am Geschäftsfliegerzentrum. Minuten später steigen Männer in weißen Schutzanzügen aus der Maschine. Einer von ihnen, ein Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO), leidet an der häufig tödlich verlaufenden Krankheit Ebola – er soll nun im Hamburger UKE geheilt werden.

Der Mann ist der erste Ebola-Patient überhaupt, der nach Ausbruch der Epidemie in Westafrika in Deutschland behandelt wird. Die Diagnose Ebola gilt seit Sonntag als gesichert. Bereits am Sonnabend, als sich der Verdacht erhärtete, hatte die WHO beim UKE angefragt, ob der Erkrankte in Hamburg aufgenommen werden könne. Grund: Das UKE und das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin genießen bei der Therapie von hoch ansteckenden Erkrankungen einen hervorragenden Ruf. In dem speziellen Behandlungszentrum des UKE werden Patienten versorgt, die sich mit lebensbedrohlichen Erregern infiziert haben. Neben dem UKE, der Hamburger Gesundheits- und der Innenbehörde waren auch mehrere Bundesbehörden in den Fall involviert, darunter das Auswärtige Amt, das Robert-Koch-Institut und das Bundesinnenministerium. Erste Details zum Transport des Kranken hatte unter höchster Geheimhaltung der Hamburger Fachstab Seuchenschutz bereits am vergangenen Sonntag erörtert.

Offenbar ist bei dem Einsatz nichts dem Zufall überlassen worden. Vom Abflug in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, bis zur Landung in Hamburg fast zehn Stunden später galten höchste Sicherheits- und Hygienestandards. In dem Jet, der von einem amerikanischen Dienstleister bereitgestellt worden war, befand sich der Patient in einer mit Spezialfolie ausgekleideten „Zelle“, hermetisch abgeschirmt vom medizinischen Personal an Bord. Der erkrankte Mann selbst trug zusätzlich eine Atemmaske, einen Schutzanzug, spezielle Schuhe und Handschuhe. Um 9.53 Uhr am Mittwoch landete die Maschine sicher am Flughafen.

Um jede Ansteckungsgefahr zu vermeiden, soll dort der Infektionsrettungswagen der Feuerwehr den Transport übernehmen. Dessen Kabine ist komplett mit Edelstahl ausgekleidet, damit sie leichter dekontaminiert werden kann. Zwei Feuerwehrleute tragen orange Schutzmontur, auf dem Kopf eine Haube mit Atemfilter, an den Füßen spezielle Schuhe. Einer der Männer stützt den schwer kranken WHO-Mitarbeiter. Er läuft die paar Meter von der Gangway zum Wagen, sichtlich geschwächt zwar, aber doch aus eigener Kraft. 30 Minuten nach der Landung bricht der Konvoi unter Polizeischutz zum teilgesperrten UKE auf und trifft dort gegen 10.45 Uhr ein. Erneut verlässt der Patient den Wagen selbstständig. Ein leitender Mediziner der Bernhard-Nocht-Klinik nimmt ihn in Empfang und macht ein paar Fotos, bevor er ihn zur Sicherheitsschleuse bringt. Einen Schutzanzug trägt er nicht – angesichts der vielfach beschworenen Standards und Sicherheitsstufe 1 ein verstörender Anblick. Ein Kamerateam hat den Moment eingefangen. Rico Schmidt, Sprecher der Gesundheitsbehörde, wiegelt ab: Gerade das Bild demonstriere, dass bei „einem gewissen Abstand keine Ansteckungsgefahr besteht“. Und dass bei keinem Direktkontakt auch kein Schutzanzug nötig sei.

Behörde betont: Für die Bevölkerung besteht keine Gefahr

Viele Journalisten und Kameraleute haben sich auf dem UKE-Gelände versammelt. Wieder und wieder betont Sprecher Schmidt, wie hoch die Sicherheitsvorkehrungen sind und wie professionell die Experten am UKE arbeiten. „Für die Bevölkerung ist zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr ausgegangen“, sagt Schmidt. Er überrascht dann mit der Ankündigung, dass es nach der Pressekonferenz am Nachmittag keine weiteren „Updates“ zur Lage geben werde. Es sei alles gesagt, und nun müsse der Patient erst einmal behandelt werden. Konkrete Fragen zu dem Mann werde er mit Rücksicht auf die ärztliche Schweigepflicht und das Persönlichkeitsrecht nicht beantworten.

Nach Angaben eines WHO-Sprechers handelt es sich bei dem erkrankten Mann um einen Epidemie-Experten aus dem Senegal, der sich beim Einsatz in einem Labor in Sierra Leone infiziert hat. Nach der Ebola-Infektion des Arztes zog die WHO ihre Helfer aus dem betroffenen Labor in der Stadt Kailahun nahe der Grenze zu Guinea ab. Bereits vor vier Wochen sollte ein weiterer Ebola-Patient auf WHO-Anfrage ins UKE verlegt werden. Ein Arzt, der im Kampf gegen Ebola zur Legende in Sierra Leone avancierte: Sheikh Umar Khan. Doch der Mediziner starb noch vor dem Transport. Im aktuellen Fall rechnen sich die Experten des UKE offenbar bessere Chancen aus.

Der Infektionsrettungswagen wurde nach dem Einsatz dekontaminiert

Auch nach dem Einsatz gilt: Jedes noch so geringe Risiko ist zu vermeiden. Die Feuerwehr hat zwar noch nie einen Ebola-Patienten transportiert, dafür übt sie den Ernstfall mindestens einmal pro Jahr. „Wir sind bestens geschult“, sagt Feuerwehrsprecher Martin Schneider. Nach dem Einsatz seien die Fahrer und der Infektionsrettungswagen aufwendig dekontaminiert worden. So sei der Spezialwagen zunächst mit Peressigsäure ausgespült und anschließend acht Stunden mit Formaldehyd begast worden. Zudem sei die Atemluft aus dem Innenraum abgesogen, gesammelt und auf 160 Grad erhitzt worden. „Auf diese Weise werden alle Erreger abgetötet“, sagt Schneider. „Ob Lassa, die Pest. Oder eben Ebola.“