Das neue Konzept der Grundschule Fährstraße fördert die soziale Durchmischung

Wilhelmsburg. An der Grundschule Fährstraße hat am Dienstag nicht nur für die Erstklässler ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Auch für die Lehrer ändert sich einiges: Sie werden künftig nach Waldorfgesichtspunkten unterrichten – zunächst in drei ersten Klassen, dann wird das Angebot sukzessive ausgebaut. Unterstützt werden die Lehrer dabei von Pädagogen des Wilhelmsburger Waldorfvereins. Der betreibt zwei Kitas auf der Elbinsel, hatte 2009 die Idee, dort eine eigene Schule zu gründen – und wurde von der Schulbehörde gebeten, „gemeinsame Sache“ zu machen.

Damit sollte vermieden werden, dass bildungsnahe Wilhelmsburger Familien ihre Kinder aus den öffentlichen Schulen des Stadtteils nehmen, sodass für diese nur noch Kinder mit problematischem Hintergrund „übrig“ blieben. Diese Rechnung scheint aufgegangen zu sein: Mit 60 Kindern wurden dieses Schuljahr deutlich mehr Schüler angemeldet als in den Jahren zuvor. „Etwa ein Fünftel stammt aus bildungsorientierten Elternhäusern und kommt explizit wegen des Schulversuchs“, sagt Projektleiterin Christiane Leiste von der Waldorf-Initiative. „Wir freuen uns sehr, dass das gelungen ist.“

Das pädagogische Profil, das Lehrer der Schule Fährstraße mit Waldorfpädagogen erarbeitet haben, umfasst sechs Eckpunkte. Kern des Konzepts ist der Hauptunterricht, der täglich in den ersten beiden Stunden stattfindet und von einem Waldorflehrer und einem „Fährstraßenlehrer“ durchgeführt wird. Weitere Schwerpunkte sind die rhythmisch-musikalische Arbeit an der deutschen Sprache; das vertiefte Lernen in Anlehnung an den Epochenunterricht; das kognitive, emotionale und sensomotorische Lernen; der Halt, den Kinder durch Rituale, Rhythmisierung und Verlässlichkeit finden sollen, sowie die Wertschätzung von Klassenraum und Materialien.

Vorbild ist die waldorforientierte Albert-Schweitzer-Schule

„Wir möchten ein attraktives Bildungsangebot für alle Kinder in Wilhelmsburg entwickeln, egal, ob sie mit Migrationshintergrund, mit Startschwierigkeiten wegen Lernrückständen oder mit besten Leistungsvoraussetzungen in diese Schule kommen“, sagte Landesschulrat Norbert Rosenboom bei der Einschulungsfeier. Es gehe nicht darum, eine staatliche Waldorfschule zu gründen oder die Weltanschauung von Rudolf Steiner in staatliche Unterrichtspraxis zu überführen, sondern allseits akzeptierte Elemente der Waldorfpädagogik zu integrieren. Ein Vorbild sei die Albert-Schweitzer-Schule in Klein Borstel, die bereits vor 62 Jahren mit einer starken Waldorfausprägung an den Start gegangen sei. Der auf acht Jahre angelegte Schulversuch in Wilhelmsburg startet in drei ersten Klassen und soll sukzessive ausgebaut werden. Ob sich die Waldorfpädagogik bewährt, soll evaluiert werden. Wann und wie, steht noch nicht fest – ebenso wenig wie der neue Name, den die Grundschule erhalten soll.