Automaten mit den schnellen Kugeln feiern Comeback in Hamm: An der Eiffestraße fanden am Wochenende die Hamburger Meisterschaften statt.

Hamm. Um halb eins greift Christian Bartsch zum Mikrofon und begrüßt ganz viele alte Bekannte. „Leute, wir benehmen uns heute alle ordentlich. Man kann ein bisschen an den Geräten rütteln, das ist okay. Aber wer sich schlecht benimmt, der ist raus. Wer sich gut benimmt, kommt vielleicht ins Finale.“

Sonnabendmittag in der Vegas Lounge. In dem flachen, unscheinbaren 60er-Jahre-Bau an der Eiffestraße stehen auf rotbrauner Auslegeware sieben Billardtische, ein Pokertisch, einige Daddelautomaten, drei schwarze Ledercouchen am Fenster, ein großer Tresen aus dunklem Holz, an dem locker 30 Gäste Platz finden und – 13 Flipper. Sie heißen Terminator und Shrek, Addams Family und Indiana Jones, AC/DC oder Star Trek. Und sie wirken ein bisschen wie Relikte aus einer vergangenen Zeit, als es noch volle Kneipen gab, in denen sich Menschen in Gruppen um solche monströsen Spiel-Automaten versammelten. Sie blinken, was das Zeug hält. Und sie werden an diesem Sonnabend neun Stunden lang heftig bearbeitet.

46 Teilnehmer, darunter vier Frauen, spielen in der Vegas Lounge in Hamm die offenen Hamburger Meisterschaften aus. Sie sind aus ganz Deutschland nach Hamburg gekommen, weil sie eines seit Jahrzehnten verbindet: die Leidenschaft für das Flippern und die faszinierenden elektronischen Geräte, an denen mit zwei oder noch mehr kleinen Flipperhebeln eine Kugel möglichst lange im Spiel gehalten werden muss.

Je länger das gelingt, desto höher ist die Punktzahl für den Spieler. Er darf nur nicht zu heftig an dem bunten Automaten rütteln, um die Kugeln im Spiel zu halten – sonst „tilt“ das Gerät. Und alles ist aus. Christian Bartsch, 46, ist der Vorsitzende des 1. Deutschen Flipper-Vereins, auch German Pinball Association, kurz: GPA, genannt. Der Verein wurde vor 19 Jahren in München gegründet. Der Bremer erklärt kurz die Turnierregeln. Am Anfang spielen jeweils zwei Teilnehmer gegeneinander. Die besten vier Spieler ermitteln am Abend den Sieger. Die einzelnen Paarungen werden per Beamer an die Wand geworfen. „Die Flipper, bei denen ein ‚K‘ davor steht, stehen im Keller“, sagt Christian. Im Keller?

Durch einen angrenzenden Raum geht es eine Treppe nach unten. Und dort hat Stefan Hoppe, 46, etwa so viele Geräte angesammelt wie auch im ersten deutschen Flippermuseum in Neuwied zu finden sind, wo auf 350 Quadratmetern 150 Flipper stehen. Viele Geräte hat Stefan auseinandergebaut, sie stehen in Einzelteilen herum.

Der Hamburger betreibt die Vegas Lounge und hat bereits zum zehnten Mal die Meisterschaften organisiert. Er sammelt, restauriert und vermietet Flipper. Der älteste in seiner Sammlung ist aus dem Jahre 1953, nennt sich Clipper und wurde von der Firma Bergmann aus Altona hergestellt.

Heute wird allein in seinem Keller an rund 20 Automaten geflippert. „Das Schöne beim Flippern ist, dass sich sehr entspannte Menschen treffen, um ein paar Stunden zusammen zu verbringen“, sagt er. „Uns alle verbindet vor allem der Spaß am Spiel.“

Und alle erzählen im Grunde die gleiche Geschichte, wenn man sie fragt, wann sie der Flipper-Virus befallen hat. Stefan war 14 Jahre und auf Klassenreise in Bayern, als er erstmals mit einem Flipper in Berührung gekommen ist. Christian war elf Jahre alt und hat im Urlaub mit seinen Eltern das erste Mal gespielt. Und Atze, der aus Berlin nach Hamburg gekommen ist, stand mit acht Jahren auf einem Rummel in Ost-Berlin zum ersten Mal an einem Flipper.

Es war die Hochzeit des Spiels, das in den USA mehr als 30 Jahre lang als Glücksspiel verboten war. Bis Flipper-Designer Roger Sharpe 1976 seinen Automaten in einem New Yorker Gerichtssaal aufstellte und den Richtern erklärte, welche Ziele er jetzt nacheinander mit der Kugel treffen werde. Und damit bewies, dass Flippern kein Glücks- sondern ein Geschicklichkeitsspiel ist.

Irgendwann drängten die Videospiele auf den Markt. Waren 1979 noch 200.000 Flipper in Deutschland öffentlich aufgestellt, sank die Zahl wenig später rapide. Und immer mehr Spieler kauften sich Geräte für zu Hause.

Als bei Christian seine Freundin einzog, meinte sie, dort, wo der Flipper steht, gehöre ein Esstisch hin. Die Freundin ist heute seine Frau, er hat jetzt acht Flipper im Keller stehen. „Ich habe mal gesagt, mehr als vier passen da nicht rein.“ Atze hat extra angebaut, und nun stehen zwölf Flipper in dem 50Quadratmeter großen Gebäude bei ihm daheim.

Andreas Harre hat in seinem Keller in Burgdorf bei Hannover etwa 80 Geräte stehen. „Jeder Flipper hat eine Seele“, sagt der Vizeweltmeister, der auch in Hamburg Favorit ist – und um 21.30Uhr tatsächlich als Sieger feststeht. An drei Geräten aus drei Flipper-Generationen – Eight Ball, Terminator 3 und Wizard of Oz – hat sich Andreas durchgesetzt. Zweiter wird Matthias Flügge aus Poppenbüttel. Für die meisten aber gilt hier das sportliche Motto, wonach Dabeisein alles ist. Und es geht darum, zu zeigen, dass Flippern in der realen Welt überlebt hat. „Man kann sich die Spiele heute auch als App runterladen“, sagt Stefan. Viele junge Leute würden das Flippern nur noch als digitales Spiel kennen. Aber es gibt sie noch. Zum Anfassen und zum Rütteln. Die großen bunten Kisten mit den schnellen Kugeln.