Eimsbüttels Entwicklungsplan sieht vor allem Verdichtung entlang der großen Routen vor. Unter anderem an der Hoheluftchaussee

Wenig Platz benötigt gute Einfälle. Wer wüsste das besser als Torsten Sevecke. Der Sozialdemokrat hat in Eimsbüttel von allen Hamburger Bezirksamtsleitern den flächenmäßig geringsten Gestaltungsspielraum. In seinem Bezirk muss er Stadtplanung auf extrem dicht besiedeltem Gebiet betreiben, chronische Platzknappheit gehöre da zum Geschäft. Einfallsreichtum, so Sevecke, werde gebraucht, um die vom Senat geforderten 900 neuen Wohnungen pro Jahr zu bauen.

Ideen, die im jetzt erschienenen Eimsbüttler Entwicklungsplan gebündelt sind. Er hält fest, was wie im Bezirk passieren soll. Und es ist der Einzige seiner Art in der Stadt. Ziele für die kommenden Jahre sind demnach, dass die Bebauung des Bezirks verträglich dichter werden soll. Zudem soll eine Hinwendung des Wohnungsbaus an die Hauptverkehrsstraßen beginnen.

„Hier zum Beispiel“, sagt Sevecke, und blickt auf fünf zum Abriss freigegebene Häuser an der Hoheluftchaussee: „Hier konnte sich vor Jahren kein Investor vorstellen, Wohngebäude zu bauen.“ Zu stickig, zu laut, zu unattraktiv erschien eine der meistbefahrenen Straßen der Stadt. Zu unwirtlich wirkte die Umgebung. Doch nun entstehen 50neue Wohnungen in sechsgeschossigen Häusern.

Gleich nebenan wird ein Single-Tower mit 18 Lofts für knapp sechs Millionen Euro hochgezogen. Weiter vorn, an der Hoheluftbrücke, keilenU-Bahn und Hauptstraße das fast fertige Isebekdomizil mit 70Wohnungen ein. Alle seien Musterbeispiele für den Aufbruch zu den letzten freien Baufeldern des Bezirks.

Dabei scheint die Hoheluftchaussee kein Raum für ruhige Stunden nach Feierabend zu sein. Aber Sevecke gefällt die aus der Not geborene Idee, Wohnungen an abseitig erscheinende Stellen zu rücken: „Die Bautechnik ist heute weiter, der Lärmschutz effektiver. Vorn sind die Funktionsräume, hinten die Zimmer mit Aufenthaltsqualität.“ So entstehe beiläufig auch eine neue Hinterhofkultur, wie sie früher, etwa bei einigen Jugendstil-Ensembles aus Vorderhaus und Hinterhaus üblich war.

Eine offene Stadtgesellschaft, wie sie Eimsbüttel mit vornehmlich jungen Leuten und Familien anziehe, werde daran wieder Interesse zeigen. Früher oder später. „Zäune und abgeschirmte Lebensbereiche sind für diese Klientel jedenfalls von gestern“, sagt der Verwaltungschef. Im Hinterhof eines kombinierten Supermarkt- und Wohngebäudes geht er auf Beweissuche. Tatsächlich ist vom Lärm auf der anderen Hausseite fast nichts zu hören. Hier Idylle, da Hoheluftchaussee-Lärm.

Auf einer Radtour durch den Bezirk benutzt Sevecke gern Wörter wie „Nachverdichtung“ oder „Impulse“. Mit seinen zwei Zukunftsrezepten will er zum einen das Wohnungsnetz in Eimsbüttel behutsam engmaschiger ziehen, vorzugsweise an Hauptverkehrsstraßen. Zum anderen sollen auch Gebiete für den Wohnungsbau herangezogen werden, die sich nicht oder noch nicht vordergründig als „zentrumsnah“ aufdrängen. „Urbanisierungszonen“ nennen Stadtplaner diese Flächen mit Potenzial, die aktuell in Stadtteilen wie Stellingen oder Lokstedt liegen. Dort können laut Sevecke von größeren Wohnungsbauvorhaben Impulse für die Quartiere ausgehen.

Dabei wolle er trotz allen Tatendrangs Maß halten: „Verdichtung darf auch bei knappem Raumangebot nicht um jeden Preis erfolgen. Unangetastet bleiben in Eimsbüttel Kleingartenanlagen, Sportplätze und Schulgelände.“ Dabei sei Sevecke die Konkurrenz der Flächen bewusst. Deshalb werde in Eimsbüttel das Modell des „intelligenteren Flächentauschs“ gepflegt. Aktuelles Beispiel ist der Stellinger Sportplatzring, wo auf der heutigen Kampfbahn 600 Wohnungen an der Hauptverkehrsstraße entstehen, nachdem die Sportplätze mit Qualitätsgewinn an die Vogt-Kölln-Straße verlegt worden sind. Ähnliches ist bereits am Grandweg passiert, wo eine neue Sportanlage und 600 neue Wohnungen realisiert wurden. Nächstes Projekt sind 350 Wohnungen an der Süderfeldstraße.

Noch ist es ein überwuchertes Gelände unweit des Lokstedter Steindamms. Doch schon jetzt bietet es viel Platz für Investorenträume. Der ehemalige Bauhof liegt an der Schnittstelle zu Eppendorf, wurde aber wegen der Bodenbelastung lange verschmäht. Nun gerät es in direkter Nachbarschaft zum UKE ins Visier von Entwicklern. Nach der Altlastsanierung sollen Studentenwohnungen, öffentlich geförderter Wohnungsbau, ein neuer Quartierspark und eine Kita Platz finden. Singles, Familien, Wohlhabende und Einkommensschwache sollen hier nach Möglichkeit zusammengeführt und nicht gespalten werden.

Dass es dabei auch zu Konflikten komme, liege in der Natur der Sache. Zentraler Bestandteil des Eimsbüttler Entwicklungsplans sei deshalb, Akzeptanz bei Anwohnern zu schaffen. Sie sollen sich einbringen, Verantwortung übernehmen. Wenn alle enger zusammenrücken, sei das wichtig. „Denn auch in dicht besiedelten Gebieten ist Stadtentwicklung nicht zu Ende“, sagt Sevecke. In Stellingen, am Sportplatzring, habe die Einbeziehung der Anwohner funktioniert. In Eimsbüttel soll es sich niemand zu einfach machen können. Dafür sei der Platz zu kostbar.

Auch in dicht besiedelten Gebieten ist Stadtentwicklung nicht zu Ende.