Im Fundbüro des Flughafens Fuhlsbüttel warten sogar verlorene Koffer auf ihre Besitzer

Fuhlsbüttel. Der Urlaub sei die Hölle gewesen. Immer wieder hört Helmut Meierdierks diesen Satz. Denn ohne Kuscheltier hätten sich die Kinder kaum in den Schlaf wiegen lassen, und schon im Flieger sei das Geschrei groß gewesen. Dabei sollten es die schönsten Wochen des Jahres werden.

„Jetzt, in der Ferienzeit, finden wir hier haufenweise Schnuffelhasen“, sagt Meierdierks. Deshalb hat der Leiter des Fundbüros am Hamburger Flughafen ziemlich oft Drama am Tresen. Familiendrama. Denn bei ihm landet, was aus Eile, Nervosität oder Gedankenlosigkeit den Abflug verpasst hat.

Wenn alle in den Urlaub starten, hütet er die stummen Ferienopfer, hat er einen Platz für das Vergessene. Und vergessen wird ziemlich viel. „Hier“, sagt er und zeigt auf prall gefüllte Blechregale: „Das ist unsere aktuelle Kollektion.“ Plüschtiere, Filmlampen, Klamotten, Koffer, ein Gebetsteppich, drei Babykarren, ein Wanderstock und vor allem: Ausweise, Smartphones, Laptops. Aktuell werden 3774 Fundsachen in zwei großen Räumen hinter dem Airport-Büro gelagert. Sechs Monate lang werden sie hier verwahrt.

Gerade kommt ein herrenloser Koffer herein. Neben dünnen Sommersachen finden die Flughafenmitarbeiter auch Fisch, nicht mehr ganz taufrischen, geruchlich kaum zu ignorierenden Fisch. „Hui, ist das eklig“, sagt Meierdierks, bevor er die eindeutig verderblichen Teile des Gepäcks entsorgt. Danach folgt Papierkram. Jedes vergessene Teil wird nach Hinweisen auf den Besitzer abgesucht. Mit Glück können Verlorenes und Verlierer wieder vereint werden. Gut 13 Millionen Fluggäste hat der Hamburger Flughafen. Jahr für Jahr vergessen Urlauber und Geschäftsreisende dabei mehr als 7000Gegenstände (19 pro Tag). Naturgemäß steigen die Fallzahlen in den Winter- und Sommerferien. In der Hochsaison ist „besonders viel Familienkram dabei“, sagt Meierdierks.

Kein Vergleich mit großen Flughäfen wie Frankfurt oder München, die ganze Hallen für Fundsachen bereithalten. „Aber bei uns wird es momentan auch ganz schön voll.“ Ganze Koffer mit Urlaubsgepäck warten hier auf ihre Besitzer. Versehentlich am Check-in zurückgelassen im Stress vor dem Abflug.

Ergiebigste Fundstelle ist aber die Sicherheitsschleuse. „Was da in den Kisten zurückgelassen wird, ist manchmal erstaunlich.“ Lesebrillen, Schlüssel und Smartphones liegen ganz weit vorn. „Ich würde das auf die Aufregung schieben“, sagt Meierdierks. Geschäftsleute seien mit den Gedanken oft schon bei der Arbeit in einer anderen Stadt, bei Familien reiche im vorgezogenen Urlaubsstress schon die Ablenkung durch die Kinder. „Das geht ruckzuck – und schon bleibt etwas auf der Strecke.“ Übrigens auch an anderen Orten: „Neulich haben wir Dritte Zähne auf der Toilette gefunden.“ Auch diese Fundsachen werden eingelagert.

Viermal im Jahr ist großer Mitarbeiterflohmarkt. Dann kommen die nicht abgeholten Teile unter den Hammer. Der Erlös werde gespendet. „Klamotten gehen allerdings direkt an das Rote Kreuz, die Lesebrillen nach Afrika.“ Eher selten seien Smartphones und Laptops in der Versteigerung, sagt Meierdierks. „Bei Elektroniksachen – im vergangenen Jahr hatten wir 795 Handys und Laptops – haben wir eine Abholquote von 95 Prozent.“ Bei allen anderen Sachen betrage dieser Wert 60 Prozent. Anscheinend können viele dauerhaft auf ihr Urlaubsgepäck, aber nicht auf das vergessene Handy verzichten.

Dankbarkeit sei die häufigste Reaktion im Fundbüro, sagt der Chef. Dicht gefolgt von Frustration. „Die meisten ärgern sich über ihre Schusseligkeit.“ Leider, sagt Meierdierks, vergessen viele Urlauber nicht nur ihre Sachen: Auch die Frage nach dem ehrlichen Finder ließen viele vermissen. „Dabei sind sie die eigentlichen Helden, die das Fundstück abgegeben haben.“

Am Flughafen gibt es in der Ferienzeit aber nicht nur ein Sammelsurium an Fundsachen, manche Dinge müssen auch zwangsweise in Hamburg bleiben, etwa weil sie nicht mit ins Handgepäck dürfen. Hoch im Kurs stehen Shampoo und Duschgel, die aus Sicht der Besitzer zu kostbar zum Wegschmeißen sind.

„Das landet dann gegen Vorkasse bei uns“, sagt Necmettin Kumru, Mitarbeiter in der Gepäckaufbewahrungsstelle. Nach dem Urlaub werde das meiste wieder abgeholt. Dutzende Wässerchen und Säuberungsmittel stehen bei ihm im Regal. Daneben etliche Zippo-Feuerzeuge, Taschenmesser, zwei Gitarren und auch ein Fläschchen Kondensmilch der Sorte Bärenmarke.

Kumru sei immer wieder erstaunt, mit welchem Handgepäck einige Leute verreisen wollen: „Neulich kam einer mit einem Buschmesser. Wir hatten aber auch schon gefüllte Magazine von Maschinengewehren – das fand selbst ich ganz schön heftig.“ Denn eigentlich sei er einiges gewöhnt. Auch ein Gasofen steht im Regal, der erstaunlicherweise zu schwer fürs Handgepäck war. Viele Urlauber verlören nach dem Scheitern an der Sicherheitskontrolle jegliches Maß – und hetzten zur Aufbewahrungsstelle. „Manche geben hier echt ihre angetrunkene Cola-Flasche ab“, sagt Kumru. Urlaubszeit sei auch immer ein bisschen Ausnahmezustand.