Anklage: Mann stach 20-mal mit Steakmesser auf Ex-Freundin ein, weil sie ihn nicht zurückwollte. Sieben Jahre alter Junge spielte im Nachbarzimmer

Neustadt. Der kleine Manuel, 7, hat von der Bluttat angeblich nichts mitbekommen. Es wäre dem Kind zu wünschen, aber kann das sein? Als es passierte, hielt sich der Junge im Kinderzimmer auf, das direkt an den Tatort grenzte. Zumindest hat er wohl nicht mitansehen müssen, wie Hartmut D. auf seine Mutter einstach, im Badezimmer ihrer Wohnung an der Thomas-Mann-Straße in Bramfeld. Ines D., 27, schleppte sich blutüberströmt und mit letzter Kraft zur Nachbarin. Spätestens da hatte der Junge seine mit mehr als 20 Stichwunden übersäte Mutter gesehen. Kurz darauf fasste die Polizei D. – als er versuchte, sich mit einem Sprung vom Balkon das Leben zu nehmen.

Der 34-Jährige sitzt inzwischen in der Psychiatrie, seit Mittwoch arbeitet das Landgericht den Fall auf. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen heimtückischen, versuchten Mordes angeklagt, er soll sein arg- und wehrloses Opfer regelrecht überrumpelt haben. Hartmut D. war am Morgen des 16. Januar bei ihr aufgetaucht, kurz nachdem sich Ines D. von ihm getrennt hatte. Offenbar wollte er sie wieder zurückgewinnen. Während die 27-Jährige auf der Toilette saß, rammte Hartmut D. ihr ein Steakmesser mit den Worten, er gebe ihr, was sie verdiene, mindestens 20-mal in den Körper. Ines D. erlitt lebensgefährliche Stichverletzungen, konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. In dem Prozess gegen ihren Ex-Freund tritt sie als Nebenklägerin auf. Sie wird auch noch als Zeugin aussagen.

Bei einer Anklage wegen versuchten Mordes hat Hartmut D. kaum etwas zu verlieren, aber durch ein glaubhaftes Geständnis viel zu gewinnen. Der untersetzte Mann erzählt ausgiebig, wie er Ines D. 2011 kennenlernte, wie er ein ums andere Mal mit ihr und ihrem Temperament aneinandergeriet, wie sie ihn mit Schüsseln und derlei mehr beworfen habe, während er sich doch um die Hausarbeit und Manuel gekümmert habe. Das klingt schon ziemlich larmoyant. „Haben Sie auch etwas falsch gemacht?“, fragt der Vorsitzende Richter spitz. „Ja, ich habe meine Lehre schleifen lassen“, sagt Hartmut D. Und ist gleich wieder bei all den echten oder erdachten Verfehlungen seiner Ex-Freundin. Ende 2013 kam eine vermeintliche Hautkrebs-Diagnose hinzu, die ihn seelisch in Schieflage brachte. In dieser Phase zog Ines D. den Schlussstrich. Bei einem Besuch in einem Einkaufszentrum habe sie ihm erzählt, dass es einen anderen Mann gebe. Vor seinen Augen habe sie erotische Unterwäsche für den Neuen gekauft. „Das tat richtig weh“, sagt der Angeklagte. „Ich habe doch sie und den Kleinen über alles geliebt.“

Am 16. Januar um 7.30 Uhr stand Hartmut D., der noch einen Schlüssel zur Wohnung seiner Ex-Freundin hatte, plötzlich vor ihr. In seinen Rucksack hatte er zwei Messer, zwei Stricke mit Henkersschlinge und zwei Abschiedsbriefe gepackt. „Ich wollte ein abschließendes Gespräch mit ihr führen und mich dann auf dem Friedhof Ohlsdorf umbringen“, sagt er. Ines D. wollte ihren Sohn in die Schule bringen, habe aber einem kurzen Gespräch zugestimmt und Manuel ins Kinderzimmer geschickt. Sie sei auf die Toilette gegangen, und nachdem sie dort viel zu lange geblieben sei, sei er ihr ins Bad gefolgt und habe sich neben seine Ex-Freundin gekniet. „Ich habe sie angefleht, mir noch eine Chance zu geben, doch sie sagte Nein. Eine Welt brach für mich zusammen.“ An den Messerangriff hat der Angeklagte nach eigenen Angaben keine Erinnerungen – nur an all das Blut an seinen Händen. „Ich war total erschüttert über das, was ich angerichtet habe.“ Ob die angedeutete, strafmildernde Affekthandlung auch vom Gericht als solche zu werten ist, dazu wird der psychiatrische Gerichtsgutachter noch ausführlich Stellung nehmen.

In Panik sei er aus der Wohnung gestürmt, habe die Messer in ein Gebüsch geworfen, sei dann mit einem Taxi zu seiner Mutter gefahren und habe ihr einen der Abschiedsbriefe in die Hand gedrückt. Dann sei er zu seiner Wohnung gefahren, habe dort den Strick am Balkon-Geländer befestigt, um sich zu erhängen. Im letzten Moment aber hielten Polizisten den Strick fest. Später gaben sie an, dass sie den Eindruck hatten, Hartmut D. habe den Selbstmord nur für die Polizei inszeniert – ein Vorwurf, den der Angeklagte entschieden zurückweist. Der Prozess geht weiter.