Bezirk Hamburg-Mitte will auf Gartenschau-Parkplatz langfristig Wohnungen bauen. Sozialsenator Detlef Scheele möchte dort Flüchtlingsunterkunft

Wilhelmsburg. Sie fliehen vor Krieg und Elend aus Syrien, dem Irak und Afghanistan – und sie kommen in steigender Zahl nach Hamburg: Bis Ende 2014 muss Hamburg 4000 Flüchtlinge mehr unterbringen als noch 2013, für rund 1600 fehlen laut Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) noch geeignete Flächen und Gebäude. Allein in der Zentralen Erstaufnahme gibt es einen Überhang von 600Flüchtlingen, denen keine Anschlussunterbringung vermittelt werden kann.

Etwa 500 Zuwanderer würden in einem Containerdorf Platz finden, das auf dem ehemaligen Parkplatz der Internationalen Gartenschau (igs) an der Dratelnstraße entstehen könnte. Doch Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) und Andy Grote (SPD), Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, möchten hier nach NDR-Berichten keine Flüchtlingsunterkunft. Das stehe der Entwicklung Neuen Mitte Wilhelmsburg im Wege, die durch die Internationale Bauausstellung entstanden sei, und sei „ein falsches Signal an die Investoren“. Sie könnten dadurch verschreckt werden.

Tatsächlich soll das Areal zum Wohnquartier ausgebaut werden – allerdings erst, wenn die Wilhelmsburger Reichsstraße verlegt wird. Damit ist jedoch nicht vor 2017 zu rechnen. Die Sozialbehörde würde in der gegenwärtigen Situation durch jeden Standort, auf dem die Unterbringung von Flüchtlingen möglich ist, entlastet. Sie hat die Fläche 2013 einer ersten Prüfung unterzogen. „Wir halten sie grundsätzlich für geeignet, dort Flüchtlinge temporär unterzubringen“, sagt Sprecher Marcel Schweitzer. In der Lenkungsgruppe, die die Aufnahme und Betreuung von Asylsuchenden koordiniert, habe es jedoch kein einstimmiges Einvernehmen über diese Zwischennutzung gegeben. Da die Einstimmigkeit aber Voraussetzung für eine weitere Überprüfung ist, wurde bislang darauf verzichtet.

Die Bedenken von Bezirk und Behörde, das Containerdorf könne mit Blick auf die Wohnbebauung ein „falsches Signal“ sein, werden von Schweitzer relativiert. „Derzeit wird eine Schule am Oststeinbeker Weg zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt. Auch dort ist eine Wohnbebauung vorgesehen und der Standort wird Ende dieses Jahres aufgegeben.“

Auch Rembert Vaerst, Geschäftsführer von Fördern und Wohnen, wäre über eine Unterkunft an der Dratelnstraße froh. „Die Situation in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung ist so angespannt, dass uns jeder Platz hilft, den wir bekommen können.“

„Auf dem Grundstück an der Dratelnstraße gab es bereits in den 90er-Jahren Flüchtlingsunterkünfte“, sagt Jörg Frommann, der sich im Frühjahr als damaliger Fraktionsvorsitzender der CDU Hamburg-Mitte für die Umwandlung der Fläche eingesetzt hatte. „Das Grundstück liegt zentral und ist gut angebunden. Es ist unverständlich, dass sich damit niemand ernsthaft auseinandersetzt.“ Generell würden die Vorschläge, die der Bezirk zur Flüchtlingsunterbringung mache, nur schleppend umgesetzt. So gehe es auch mit den Standorten Kurdamm und Sanitasstraße nicht recht voran, wo jeweils Platz für mehr als 100 Zuwanderer geschaffen werden soll.

Das „dezentrale Konzept“ des Bezirks für die Flüchtlingsunterkünfte in Wilhelmsburg sieht nach Angaben von Bezirkssprecher Norman Cordes eine weitere Unterbringung am Haulander Weg vor. Der Stadtteil solle jedoch nicht überfordert werden – eine Unterkunft in der Dratelnstraße hätte aber wegen ihrer Größenordnung weitreichende Auswirkungen auf die Umgebung und sei außerordentlich teuer. Zudem sei das betreffende Grundstück eine zentrale Fläche und ein Schlüsselprojekt für die Weiterentwicklung Wilhelmsburgs, ergänzt Magnus-Sebastian Kutz, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU). Die Behörden seien sich daher einig gewesen, die Fläche nicht weiter zu prüfen – zumal mehrere Alternativflächen benannt worden seien. Eine Nutzung der Fläche für Flüchtlingsunterkünfte wäre auch ein falsches Signal für die Wilhelmsburger, so Bezirkssprecher Cordes. „Sie blicken nach Abschluss der IBA und igs interessiert darauf , ob die positive Entwicklung ihres Stadtteils voranschreitet oder stagniert.“