Vorstoß stellt Stadtstaat infrage. Bürger sollen parallel zur Bundestagswahl 2017 entscheiden. SPD warnt: absurd!

Hamburg. Der Verein Mehr Demokratie plant eine Volksinitiative zur Aufspaltung Hamburgs in zahlreiche Einzelgemeinden. Ziel der Initiative mit dem möglichen Arbeitstitel „Gemeinden für Hamburg“ ist ein Volksentscheid parallel zur nächsten Bundestagswahl im Jahr 2017. Das kündigte Vereinsvorstand Manfred Brandt bei einem Abendblatt-Streitgespräch mit SPD-Fraktionschef Andreas Dressel über das Wahlrecht und die geringe Beteiligung an der Bezirkswahl an.

Sollte sich die Initiative durchsetzen, würden die heutigen Bezirke zu echten Kommunen, könnten also selbst Steuern erheben und wären wie separate Städte für die meisten Belange vollständig selbst verantwortlich. Gegen ihren Willen könnte keine Straße und kein Haus mehr gebaut werden. Aus den Bezirksversammlungen, die heute kaum Entscheidungsbefugnisse haben, würden dann echte Parlamente.

„Ein Bundesland ohne kommunale Ebene, das funktioniert auf die Dauer nicht gut, weil die Menschen vor Ort nicht genug Beachtung finden und zu wenig Einfluss haben“, sagte Brandt. „Wir sind dafür, Hamburg in mehrere echte Gemeinden zu gliedern.“ Wie viele es genau sein sollen, sei noch offen. „Die Zahl sollte nach unseren ersten Überlegungen höher sein als die der Bezirke, weil manche Bezirke sehr willkürlich geschnitten sind. Wir arbeiten derzeit an einem Gesetzentwurf.“ Der abnehmenden Akzeptanz der Parteien und der parlamentarischen Demokratie und der sozialen Spaltung der Stadt könne man nur entgegenwirken, „indem die Parteien in den Stadtteilen überzeugende Kandidaten aufbauen“, so Brandt. „Die Menschen müssen merken: Die setzen sich für unsere Belange ein, die können wir wählen. Das ist die Grundidee, warum wir uns für Gemeinden in Hamburg einsetzen wollen.“

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel lehnte den Vorstoß kategorisch ab. „Wir sind strikt gegen die Zersplitterung Hamburgs in Gemeinden. Wir sind ein Stadtstaat mit einer langen Tradition. Alle Herausforderungen der letzten Jahrzehnte – vom Wiederaufbau angefangen – hat Hamburg als Einheit gemeistert“, sagte Dressel. „In unserer Stadt jetzt neue politische Grenzen hochzuziehen ist doch absurd in einer Zeit, wo wir Kooperationen in der Metropolregion ausbauen.“ Mit einem „Rückkehr zur Kleinstaaterei“ würden neue Probleme geschaffen und kein einziges gelöst. „Das wäre fatal für die Handlungsfähigkeit dieser Stadt.“

Bisher ist Hamburg als Stadtstaat zugleich ein Bundesland und als Stadt eine Einheitsgemeinde. Der Verein Mehr Demokratie hat seit 1997 einige erfolgreiche Volksinitiativen gestartet und ist maßgeblich für die Stärkung der direkten Demokratie durch Volksinitiativen verantwortlich. SPD-Fraktionschef Dressel forderte angesichts der niedrigen Beteiligung an der Bezirkswahl und den vielen ungültigen Stimmen eine Diskussion über ein einfacheres Wahlrecht und eine Entkopplung von der Europawahl.

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