21.702 Kinder haben im letzten Jahr in Hamburg das Licht der Welt erblickt. Das ist die höchste Geburtenziffer, seit mit der Zählung im Jahr 1998 begonnen wurde. Dennoch bleibt die Geburtenrate von 1,28 in unserer Stadt im Keller. 100 Frauen bekommen demnach 128 Kinder, nötig wären wenigstens 200, um die Bevölkerung konstant hoch zu halten. Weshalb bleiben so viele Hamburger kinderlos?

Als Ursache führt die Mehrheit der Hamburger finanzielle Gründe an. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts kostet ein Kind rund 550Euro im Monat, was sich viele nicht leisten können. Innerhalb der Bevölkerung sind es jedoch besonders die besser verdienenden Hamburger, die dieser Aussage zustimmen. Das lässt den Rückschluss zu, dass viele sich den eigenen Nachwuchs nicht leisten wollen, da sie Sorge haben, den eigenen Lebensstandard einschränken zu müssen.

Als ein weiteres Hauptargument wird das Bedürfnis, lieber frei und unabhängig bleiben zu wollen, genannt – überdurchschnittlich oft von Singles und Männern. Von vielen Frauen wird häufiger der Wunsch, die berufliche Karriere nicht zu vernachlässigen sowie die Sorge Familie und Beruf nicht vereinbaren zu können, als ein Grund gegen Nachwuchs angeführt. Auch stellt für sie die Sorge, nicht den richtigen Lebenspartner zu haben, ein wichtiges Argument dar. Letzteres wird übrigens eine grundlegende Veränderung in den Vorstellungen von Partnerschaft nach sich ziehen: Durch die Tatsache, dass mittlerweile die Mehrzahl der Abiturienten sowie Studierenden weiblich ist und diese auch noch die besseren Noten erreichen, werden auch mehr Frauen in Führungspositionen tätig sein. Daraus resultiert, dass Männer lernen müssen, nach oben zu heiraten, und Frauen lernen müssen, nach unten zu heiraten. In Zukunft ehelicht dann also nicht mehr der Chefarzt die Krankenschwester oder der Generaldirektor die Sekretärin, sondern die Chefärztin den Krankenpfleger oder die Managerin den Buchhalter.

Neben diesen Hauptgründen werden aber auch die unsichere Zukunft für die nachwachsenden Generationen oder die unzureichenden staatlichen Voraussetzungen als Ursachen angeführt. Selbst die Angst, den falschen Zeitpunkt zu wählen, oder die Auffassung, dass Kinder kein erfüllender Lebensinhalt sind, werden als Argumente gegen eine Familiengründung genannt.

Viele Hamburger haben also schlichtweg Angst vor der Familiengründung. Sie haben Angst vor den Kosten, vor einer möglichen Scheidung und vor den Zukunftsperspektiven für den eigenen Nachwuchs. Sie haben auch Angst, die eigene Autonomie zu verlieren, sich die Karrierechancen zu verbauen, den falschen Zeitpunkt oder den falschen Lebenspartner zu wählen. Die Politik muss weiter konsequent die Rahmenbedingungen für Familiengründung und das Leben mit Kindern verbessern. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass bereits gegenwärtig jährlich insgesamt 125 Milliarden für 148 familienbezogene Maßnahmen in Deutschland ausgegeben werden.

Unternehmen sollten noch mehr dafür tun, dass Frauen auch mit Kind die Möglichkeit erhalten, eine Karriere zu machen. Letztendlich muss aber auch jeder Hamburger Bürger einsehen, dass es keine absolute Sicherheit im Job oder bei der Partnerwahl gibt, dass der richtige Zeitpunkt nie da sein wird und dass Einschränkungen in der Freiheit und im Lebensstandard sich ebenso kurzfristig wie auch langfristig auszahlen.

Um es ganz persönlich zu sagen: Bei allen Ängsten und Sorgen, Einschränkungen und Kompromissen halten meine Kinder mich geistig und körperlich jung und fit, sie erden mich.

An dieser Stelle schreibt jeden Montag Prof. Ulrich Reinhardt vom BAT-Institut für Zukunftsfragen