Johannes Caspar hält Vorgehen der Polizei Anfang Januar für überzogen. „Speicherung der Personalien über drei Monate ist unzulässig“

Hamburg. In einer „datenschutzrechtlichen Bewertung“ der Anfang des Jahres nach Übergriffen auf Polizisten eingerichteten Gefahrengebiete in Teilen Altonas und auf St. Pauli hat der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar jetzt „erhebliche Bedenken“ geäußert. Er kritisiert die Speicherung von Daten und stellt die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme infrage. Caspar verlangt Konsequenzen, darunter den Verzicht auf die Einrichtung von Gefahrengebieten in Hamburg, weil verfassungsrechtliche Aspekte berührt werden würden. Diese Bedenken müssten erst ausgeräumt werden.

Daten von Überprüften würden zu lange gespeichert werden. Es gebe kein verbindliches Verfahren zur Einrichtung der Gefahrengebiete, das Hamburgern die Möglichkeit biete, diesen Gebieten gezielt auszuweichen. Die vorgebrachten Gründe zur Einrichtung dieses Gefahrengebiets hätten nicht ausgereicht. Das sind die drei Kernpunkte der Kritik, die der Hamburger Datenschutzbeauftragte und sein Vertreter Hans-Joachim Menzel auf 21 Seiten festgehalten haben.

Caspar sieht gar keine Gründe für die Einrichtung eines Gefahrengebiets

Das Gefahrengebiet war am 4. Januar eingerichtet worden und umfasste die Stadtteile Sternschanze, St. Pauli, Altona-Altstadt und Altona-Nord. Zuvor hatte es Übergriffe auf Polizisten und Polizeiwachen gegeben, bei denen Beamte auch schwer verletzt wurden.

Genau 78.209 gemeldete Einwohner und viele Besucher beispielsweise des Kiezes, waren von der Einrichtung des Gefahrengebiets betroffen. Grundlage für die Einrichtung war das Polizeigesetz. Es ermöglicht eingesetzten Beamten, verdachtsunabhängig Personen und deren mitgeführte Sachen wie Taschen zu kontrollieren und ihre Daten aufzunehmen.

Der Datenschutzbeauftragte bewertet das als einen Grundrechtseingriff. Die Speicherung der Daten für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten bei einer einfachen Identitätsfeststellung hält er für unzulässig. Denn die Daten landen im polizeilichen Auskunftssystem, über das auch in anderem Zusammenhang Abfragen durchgeführt werden. „Dies kann bei den kontrollierenden Polizisten zu einem gewissen Vorbehalt führen und stigmatisierende Folgen für den kontrollierten Bürger haben“, heißt es in dem Bericht.

„Solche in einem Gefahrengebiet anlass- und verdachtsunabhängig erhobene Daten sollten nur so lange gespeichert bleiben, wie es erforderlich ist, längstens jedoch bis zur Aufhebung des Gefahrengebiets“, schreibt Caspar.

Auch die Art und Weise, wie über die Einrichtung des Gefahrengebiets informiert wurde, moniert der Datenschutzbeauftragte. Er fordert eine gesetzliche Pflicht zur Ankündigung eines Gefahrengebiets nach vorgegebenen Formalien. Dass Betroffene aus Presseberichten davon erfahren haben müssten, reiche nicht.

„Nur so können die Betroffenen ihr Verhalten darauf abstellen und sich auf Anlass- und verhaltensunabhängige Identitätsfeststellungen einschließlich der in der Öffentlichkeit durchführbaren Inaugenscheinnahme von mitgeführten Gegenständen in dem ausgewiesenen Gebiet vorbereiten“, heißt es in der Stellungnahme.

Mehr noch: Der Datenschutzbeauftragte sieht gar keine Gründe für die Einrichtung eines Gefahrengebiets in der durchgeführten Form. „Die im Antrag zur Ausweisung des Gefahrengebiets durch die Polizei vom 3.1.2013 dokumentierten Lageerkenntnisse werfen Zweifel auf, ob diese ausreichen, um in einem derartig großen innerstädtischen Bereich Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der sich dort aufhaltenden Personen zu rechtfertigen. Insbesondere gilt dies für das nicht näher begründete Vorliegen von Straftaten von erheblicher Bedeutung“, heißt es in dem Papier.

Bei der Polizei, die das Gefahrengebiet im Januar eingerichtet hatte, und in der Innenbehörde sieht man bislang keinen Anlass, die Praxis zu ändern. Ein von einer Anwohnerin des Sternschanzenparks angestrengtes Verfahren war zugunsten der Polizei ausgegangen.

„Das Verwaltungsgericht hat sich bereits mit dem Thema Gefahrengebiet befasst und die Rechtsnorm für gültig erklärt“, sagt der Sprecher der Innenbehörde, Frank Reschreiter. In einem Urteil vom 2. Oktober 2012 hatte das Gericht keine „durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken“ gesehen. „Gefahrengebiete, die in Hamburg in der Vergangenheit übrigens über 50-mal eingerichtet wurden, sind zudem keine Erfindung der Polizei oder der Innenbehörde, sondern aufgrund einer breiten parlamentarischen Mehrheit entstanden“, sagt Reschreiter.

Die Möglichkeit der Einrichtung eines Gefahrengebiets sei ein wichtiger Bestandteil der polizeilichen Arbeit. Man arbeite aber jedes Gefahrengebiet kritisch auf und analysiere Schwachstellen. Hamburgs Datenschützer Johannes Caspar sieht das anders. Er weist in seiner Beurteilung darauf hin, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. Das Oberverwaltungsgericht hat bislang keinen neuen Termin angesetzt. Für Caspar ist die Verfassungsmäßigkeit eines Gefahrengebiets nach der in Hamburg geltenden Norm nicht gewährleistet.

„Ich gehe davon aus“, sagt Caspar, „dass, solange die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm nicht rechtsmäßig geklärt ist, keine neuen Gefahrengebiete in Hamburg ausgewiesen werden.“