Neustadt. Im Internet posiert er auf Fotos unter anderem vor antiken Bauwerken. Oder alternativ wild in Action am Boxsack, dann gern mit freiem Oberkörper, auf dem etliche Tätowierungen prangen. „Groß, sportlich, humorvoll und spontan“ wirbt der baumlange, muskelbepackte Kerl für sich im Web. Doch „spontan“ scheint eine sehr nette Umschreibung für das, was Andreas D. (Name geändert) charakterisiert. Manche würden es wohl eher hitzig nennen, ein Mann mit einer extrem kurzen Zündschnur, der Konflikte nicht mit Köpfchen, sondern mit der Faust löst, knallhart und aggressiv. Denn Gewalt, so lautet die Bilanz eines Amtsrichters am Ende eines Prozesses gegen Andreas D., sei „typisch“ für den 35-Jährigen: „Sie zieht sich durch Ihr Leben, seit Sie strafmündig sind.“

Nun ist das Maß voll. Dieses Mal gibt es Gefängnis für den Angeklagten, der mindestens zweimal zu oft zugeschlagen hat: Zwei Jahre und zwei Monate Haft wegen Körperverletzung verhängt das Gericht gegen den Hamburger – und zieht sofort Konsequenzen. Noch im Verhandlungssaal wird der Mann mit dem rasierten Schädel und dem auffälligen Tattoo im Nacken verhaftet. Drei kräftige Polizisten im Raum, vier weitere vor der Tür, etliche andere im Gebäude oder in Bereitschaft vor dem Haus in Mannschaftswagen – für Andreas D., der im Rotlichtviertel zu Hause ist und auch Kontakte zu den Hells Angels haben soll, ist gleich das große Aufgebot angerückt. Diese imposante Übermacht beeindruckt den sonst so schlagfertigen Hünen. Ohne Gegenwehr lässt der Mann sich abführen.

Diesmal hilft kein Leugnen und kein Verharmlosen. Er muss in Haft

Kleinmütigkeit ist Andreas D. sonst absolut fremd. „Ich bin jetzt seit 14 Jahren Türsteher und Wirtschafter auf dem Kiez. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine Ohrfeige die Leute plötzlich wieder normal macht“, lautet im Umgang mit Menschen die Devise des sonst so Selbstbewussten. So hielt er es laut Anklage auch im Juni vergangenen Jahres. Demnach versetzte der 35-Jährige einem Touristen, der mit Bekannten auf einem sogenannten Bierbike im Umfeld der Reeperbahn unterwegs war und Prostituierte vor einem Bordell mit seinem Handy filmte, einen kraftvollen Faustschlag gegen die Wange. Keine zwei Monate später soll er auf dem Kiez einen Passanten erst geschlagen und dann das Opfer, nachdem es zu Boden ging, mindestens viermal gegen den Kopf getreten haben.

Die Schläge räumte der Angeklagte ein. Der Tourist mit dem Handy habe sich, nachdem er ihm eine Lektion nach seiner Fasson erteilte, „entschuldigt und gelacht“, ist die selbstzufriedene Bilanz des vielfach Vorbestraften. Die Tritte gegen das zweite Opfer bestritt er indes. Der Zeuge allerdings hatte die Szene noch sehr deutlich in Erinnerung. Der Mann, der sich im Milieu auskennt, war an jenem Abend außer sich vor Freude über die Geburt seines Sohnes, schilderte der Zeuge vor Gericht. Etlichen Prostituierten, die sich ihm auf seinem Heimweg in den Weg stellten und ihn bedrängten, wollte er ausweichen, wechselte sogar die Straßenseite. Als eine ihm trotzdem zu nahe kam, schob er sie zur Seite, was sofort Andreas D. auf den Plan rief. Ohne Zögern habe der Wirtschafter zugeschlagen, erinnerte sich das Opfer. „Und plötzlich sprang mir einer in den Rücken.“ Zwei Polizeibeamte, die privat auf dem Kiez unterwegs waren und Zeugen der Attacke wurden, bestätigten die mehrfachen Tritte.

Damit hilft Andreas D. kein Leugnen und kein Verharmlosen. 26 Monate Haft sind nach Überzeugung des Amtsrichters die angemessene Sanktion für einen, der oft genug deutlich demonstriert habe, dass er unbelehrbar sei. Die Tat habe im Rotlichtmilieu stattgefunden, stellt der Richter fest. „Da leben Sie, da sind Sie tätig, dann verhauen Sie Leute. Und Sie kennen sich gut aus mit den Strukturen der Hells Angels.“ Es würden Menschen „aus heiterem Himmel zusammengeschlagen von einem Mann, der das offenbar normal findet“. Der Angeklagte habe von der Justiz immer wieder Chancen bekommen, sich zu bewähren, und doch mit seinen aggressiven Taten weitergemacht. Nun müsse Schluss sein.

Pokerface und verschränkte Arme: Andreas D. scheint von den Worten des Amtsrichters und der Freiheitsstrafe zunächst unbeeindruckt. Als jedoch die Polizisten den Saal betreten und der Richter den Haftbefehl verkündet, weil ein „erheblicher Fluchtanreiz“ bestehe, dämmert D., dass es jetzt bitterernst wird. Er sei „für Dinge verurteilt worden, die ich nicht gemacht habe“, protestiert er. „Ist das jetzt wirklich notwendig“, appelliert er an den Richter, als ihm die Hamburger Acht angelegt wird, „dass Sie mich wie einen Schwerkriminellen verhaften? Wo soll ich denn hin?“ Das Schweigen des Amtsrichters ist Antwort genug: in den Knast.

Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall