Aydan Özoguz, Staatsministerin für Integration, besucht die Nachbarschaftsmütter in Wandsbek – und spricht vom Spagat zwischen Politik und Familie

Hamburg. Für die beiden Frauen in den bunten Gewändern ist Aydan Özoguz jemand, den sie bewundern. Ein Vorbild. Sie klingen aufgeregt, als sie nach einem Foto mit der Frau fragen, die seit Dezember 2013 Staatsministerin im Kanzleramt für Migration, Flüchtlinge und Integration ist. „Gerne“, antwortet die SPD-Politikerin, lässt sich Arm in Arm mit den beiden fotografieren und lächelt dabei in die Handykamera. Berührungsängste sind Özoguz nicht anzumerken. „Sie ist eine tolle Frau“, schwärmt eine der beiden. Sie gehören zu den ersten Absolventinnen des Projekts „Nachbarschaftsmütter Hohenhorst“, die an diesem Abend im Haus am See in Rahlstedt geehrt werden und künftig Familien mit Migrationshintergrund helfen werden.

Für Aydan Özoguz, die die Schirmherrschaft für das Projekt in ihrem Wahlkreis Wandsbek übernommen hat, ist der Abend ein Heimspiel. Die Sympathien der Zuhörer sind ihr schon sicher, noch bevor sie die Bühne betritt, um den 17 Absolventinnen der Schulung für das ehrenamtliche Engagement ihre Urkunden zu übergeben. Schließlich ist sie nicht das erste Mal im Haus am See. Özoguz kennt die Einrichtung, die sie schon lange unterstützt hat, ebenso wie den Stadtteil.

Als die 46-Jährige als „Höhepunkt des Abends“ anmoderiert wird, braust Applaus auf. Die Menschen im Saal scheinen sich mit ihr verbunden zu fühlen. Vielleicht weil sie es von Rahlstedt, wo sie bis heute mit ihrer Familie wohnt, bis an den Kabinettstisch geschafft hat. Vielleicht, weil sie die erste Frau mit türkischen Wurzeln ist, die Mitglied der Bundesregierung ist. Oder weil ihr das Thema Integration nach wie vor eine Herzensangelegenheit ist.

Es klingt authentisch, wenn Aydan Özoguz betont, dass sie das Projekt „Nachbarschaftsmütter“ mit Leib und Seele unterstütze. „Die Nachbarschaftsmütter sind ein Bindeglied zwischen den Familien und dem Stadtteil“, sagt sie in ihrer Ansprache. Sie könnten Türen öffnen, die anderen verschlossen blieben, da sie die Sprache sprechen und die Lebenssituationen der Familien vor Ort kennen. „Sie sind das Salz dieses Landes“, ruft Özoguz den Frauen zu. „Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen, die ich mit nach Berlin nehmen und daraus gute Politik machen kann.“

Gute Politik zu machen und eine gute Mutter zu sein – das ist auch für Aydan Özoguz kein Kinderspiel. Ja, es sei eine große Herausforderung, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, sagt Özoguz, die sich 1989 einbürgern ließ, für die Körber-Stiftung arbeitete, erst seit 2004 Mitglied der SPD ist, seit 2009 im Bundestag sitzt und nun zur ersten Reihe der schwarz-roten Politiker gehört. Zumal sie als Staatsministerin meistens in Berlin arbeitet und ihr Ehemann Michael Neumann Hamburgs Innensenator ist. „Es ist ein hartes Leben, aber möglich“, sagt sie und lacht.

Auch heute noch müsse man als Mutter dafür kämpfen, dass das berufliche Umfeld akzeptiert, dass man auch für sein Kind da sein will. Mit ihm Vokabeln lernen, spielen, lachen, reden will. „Mein Büro hat Verständnis dafür“, sagt Özoguz, die täglich mit der Bahn zwischen Hamburg und Berlin pendelt. Im Bundeskanzleramt hingegen sei es noch nicht selbstverständlich, dass man neben seiner Arbeit auch noch ein Kind hat. „Man muss es selbstverständlich leben“, sagt sie. „Meinen Sie das ernst?“ Diese Reaktion habe sie schon öfters gehört, wenn sie mal einen Abendtermin abgesagt hat, weil sie sich um ihre zehnjährige Tochter kümmern wollte.

Bei Aydan Özoguz und ihrem Mann ist es wie bei anderen Familien auch, in denen beide Elternteile berufstätig sind. Damit der Spagat zwischen Beruf und Familie gelingt, ist die Organisation das A und O. „Ich habe ein bis zwei Hamburg-Tage in der Woche“, sagt Özoguz. An denen ist sie spätestens nachmittags zu Hause, wenn die Tochter aus der Schule kommt. Ihr Mann habe auch einen festen Tag in der Woche, an dem er sich um die Zehnjährige kümmert. „Und wenn bei meiner Tochter etwa eine Klassenarbeit ansteht, nehme ich mir natürlich zusätzlich Zeit“, sagt sie.

Seit gut zwei Monaten ist sie Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. Angestrebt habe sie das alles nie, sagt Özoguz, wenn sie über ihre politische Karriere spricht. „Aber ich wollte immer etwas verändern.“ Sich für die Integration stark zu machen, dafür ging sie 2001 in die Politik – als Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Dafür setzt sie sich jetzt wieder ein – im Bundeskanzleramt. „So langsam habe ich mich dort eingelebt“, sagt Özoguz. Der Anfang mit Angela Merkel sei sehr kooperativ gewesen. Da sie jedoch für „Querschnittsthemen“, wie sie es nennt, zuständig sei, müsse sie jeden überzeugen mitzumachen. „Nicht alle wollen einen mitreden lassen“, sagt Özoguz. Dafür kämpfe sie.