Hamburg will Flüchtlingen neue Wohnungen reservieren. Start soll in Eimsbüttel sein. Bezirk reagiert auf steigende Asylbewerberzahlen. Das sagen die Parteien zu den Plänen.

Hamburg. Der Bezirk Eimsbüttel ist Vorreiter einer flexibleren Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen in Hamburg. Künftig sollen dort bei bestimmten Neubauvorhaben 30 Prozent der Wohnungen für Flüchtlinge und Wohnungslose reserviert werden. Das beschloss der Planungsausschuss in Eimsbüttel. Bisher wurde angestrebt, bei Neubauten 30 Prozent des Wohnraums als Sozialwohnungen auszuweisen.

Der SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Andreas Dressel, lobte das Eimsbütteler Konzept. „Das kann ein Modell für ganz Hamburg werden“, sagte Dressel. Demnach würden ergänzend zu den derzeit üblichen öffentlichen Sammelunterkünften für Flüchtlinge auch Wohnungen bereitgestellt, die in Kontingenten für einen begrenzten Zeitraum von zehn Jahren vom städtischen Unternehmen „Fördern und Wohnen“ angemietet und frei vergeben werden. Eimsbüttel hat das bereits an der Lohkampstraße umgesetzt, wo eine ehemalige Sammelunterkunft zu Mietwohnungen umgebaut und en bloc vermietet wurde. An der Hagenbeckstraße sollen im Rahmen eines Neubaus 20 bis 25 Appartements dauerhaft für Flüchtlinge reserviert werden.

Die Zahl der Flüchtlinge nimmt beständig zu. Die Innenbehörde erwartet in Anlehnung an Prognosen der Bundesregierung für dieses Jahr 20 Prozent mehr Asylbewerber als 2013. Im letzten Jahr kamen 3619 Asylbewerber, 2012 lag die Zahl noch bei 2091. Die Sozialbehörde schätzt den Fehlbestand an Quartieren für Flüchtlinge auf bis zu 2000 Plätze. Auch die Kapazität der Erstaufnahmelager mit derzeit 688 Plätzen werde wachsen müssen, hieß es. In der ganzen Stadt werde händeringend nach Quartieren gesucht. Wann immer ein Grundstück sich biete, greife die Behörde zu. Schiere Not diktiere das Handeln.

Das führt zunehmend zu Kollisionen mit einer Vorgabe des Bürgermeisters: Olaf Scholz (SPD) will nicht, dass das Wohnungsbauprogramm gefährdet wird. Das Ziel „6000 Baugenehmigungen pro Jahr“ soll unbedingt erreicht werden. Mit dieser Maßgabe sind die beiden großen Themen Wohnungsbau und Flüchtlingsunterkünfte in Einklang zu bringen. So kann zum Beispiel auf dem brachliegenden Gelände des ehemaligen Concordia-Stadions an der Marienthaler Oktaviostraße keine Flüchtlingsunterkunft gebaut werden, weil dies dem Wohnungsbau im Wege stünde. Gleiches gilt für den Fiersbarg in Lemsahl-Mellingstedt.

Dressel sieht das Eimsbütteler Modell vor allem als Flexibilisierung. „Es ist kein Patentrezept. Wir müssen von Fall zu Fall gucken, ob der Investor, ob Fördern und Wohnen als Betreuer und ob der jeweilige Bezirk einen Weg finden.“ Es dürfe keine Konkurrenz entstehen zwischen Flüchtlingen und Wohnungssuchenden mit Dringlichkeitsscheinen.

Was die Parteien zu dem Modell sagen, neue Wohnungen für Flüchtlinge zu reservieren

Der baupolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Hans-Detlef Roock, verwies auf die CDU-Forderung, nach der die Stadt bei großen Wohnungsunternehmen Bleiben für die Flüchtlinge anmieten solle. „Das kann, muss aber nicht in Neubauten sein.“ Das Wichtigste sei, dass überhaupt gebaut werde. Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen sei auf jeden Fall besser und günstiger, als Hotels für sie zu reservieren. Auch die sozialpolitische Sprecherin der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Martina Kaesbach, hält es für sinnvoll, den Wohnungsbau zwar „langfristig prioritär zu behandeln“, in Einzelfällen und befristet aber „den Flüchtlingsunterkünften Vorrang“ einzuräumen. „Dazu braucht es frühzeitige Kommunikation und kluges Management, nicht Intransparenz und Anordnungen von oben“, sagte sie. Was Eimsbüttel praktiziere, sei „mit offener Kommunikation“ auch anderswo denkbar.

Für die Grünen darf es keine Konkurrenz zwischen klassischen Sozialmietern und Flüchtlingen geben. „Flüchtlingswohnungen müssen zusätzlich entstehen“, sagte der baupolitische Sprecher der Grünen, Olaf Duge.

Die Linke fordert seit Langem, dass Hamburg dem Beispiel Bremens folgt und den Flüchtlingen nach den obligatorischen drei Monaten „Erst-Unterbringung“ erlaubt, sich für die „Folge-Unterbringung“ selbst Wohnungen am freien Markt zu besorgen. In Hamburg müssen die Flüchtlinge Sammelunterkünfte beziehen oder Wohnungen, die von Fördern & Wohnen angemietet und dann Bedürftigen zugewiesen werden. Das Bremer Modell gewährleiste eine gute Verteilung von Flüchtlingen unter der einheimischen Bevölkerung, was Gettobildung verhindere und die Integration nachhaltig erleichtere, sagte die sozialpolitische Linken-Sprecherin, Cansu Özdemir.

Dem Hamburger Grundeigentümerverband wären Flüchtlinge als Mieter recht. „Sie sind sicher unproblematischer als viele Sozialmieter“, sagte der Verbandsvorsitzende Heinrich Stüven. „Unser Problem sind die Kosten, die in den letzten zehn Jahren um 75 Prozent gestiegen sind.“ An vielen Standorten sei deshalb ein Drittel Sozialwohnungen bei Neubauten nur schwer durchsetzbar, wenn die Stadt die Grundstücke nicht günstiger abgebe. „Wir haben keine Wohnungsnot“, sagte Stüven. Außerhalb der Innenstadt bröckele die Nachfrage, weshalb am Markt nicht alles durchsetzbar sei. Der Verband der norddeutschen Wohnungsunternehmen wies darauf hin, dass die Menschen „nicht nur in Wohnungen abgeladen, sondern auch betreut werden müssten. Erst wenn diese Frage geklärt ist, kann die Wohnungswirtschaft dahinterstehen“, sagte ihr Sprecher Peter Hitpaß.

Die Linke Özdemir forderte den Senat auf, leer stehende Wohnungen und Gebäude an Flüchtlinge zu vergeben und für sie herzurichten. Auf eine kleine Anfrage des CDU-Politikers Roock hatte der Senat im Dezember 2013 angegeben, dass 143 behördeneigene und 720 Wohnungen der Saga GWG schon länger als ein Jahr leer stünden. Im April 2012 gab der Senat an, dass etwa 200 Büro- und Gewerbeobjekte der Saga GWG leer stehen. Hinzu kamen von der Sprinkenhof verwaltete, städtische Leerstände von 20.000 Quadratmetern.