St. Maximilian Kolbe trotz Denkmalschutz in akuter Gefahr. Katholiken wollen Bauwerk und benachbartes Seniorenheim verkaufen

Wilhelmsburg. Für Architekturbegeisterte ist es ein Skandal: Hamburgs wohl ungewöhnlichster Kirchenbau, die katholische St.-Maximilian-Kolbe-Kirche an der Krieterstraße in Wilhelmsburg, soll abgerissen werden. Die katholische Kirchengemeinde St. Bonifatius mit St. Maximilian Kolbe will damit Platz schaffen für die Erweiterung des benachbarten Alten- und Pflegeheims. Das wird an einen neuen Träger verkauft, der den Kirchenabriss zur Bedingung gemacht hat. Dass sie denkmalgeschützt ist, kann der Kirche unter Umständen nichts nützen. Sie hat Schäden an Dach und Beton, deren Sanierung rund 400.000 Euro kosten würde. Die Katholische Kirche plädiert auf „wirtschaftliche Unzumutbarkeit“ – ein Grund, aus dem der Denkmalschutz aufgehoben werden kann.

„Das ist doch absurd. Die Katholische Kirche ist der reichste Grundbesitzer in Europa“, sagt Klaus Lübke (SPD), Fachsprecher für Denkmalschutz im Bezirk Hamburg-Mitte. Die wegen ihrer Spiralform von vielen Wilhelmsburgern liebevoll „Klorolle“ genannte Kirche sei identitätsstiftend für das Quartier. Der Verlust wäre nicht nur für die Gemeinde groß. „Von innen ist der Kirchenbau einer der schönsten Hamburgs, von außen sicher der ungewöhnlichste“, so Lübke. Er könnte sich eine künftige Nutzung als Stadtteilkulturzentrum vorstellen.

Tatsächlich übersteigt die 1973/74 von dem Architekten Jo Filke (1921–2001) errichtete Kirche in ihrer architektonischen Qualität alle anderen in diesem Zeitraum entstandenen Sakralbauten nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Norddeutschland. Mit ihrer markanten Erscheinung erinnert sie an eine skulpturale Formensprache, mit der später internationale Architekten wie zum Beispiel Frank Gehry Furore machten. Es ist die vierte von insgesamt fünf Kirchen, die Filke zwischen 1950 und 1981 gebaut hat, zugleich aber sein bedeutendstes Werk. Als Grundriss wählte er ein Polygon, für das aufstrebende, zwischen Erde und Himmel vermittelnde Motiv fand er die Form einer sich empor windenden und dabei verjüngenden Spirale. Dabei verließ er die architektonische Tradition des Kirchenbaus und behandelte diesen wie eine riesige Skulptur. Das heutige Kreuz an der Turmspitze ist eine Zutat aus dem Jahr 1988.

Aufstrebend wirkt auch der Innenraum, der von einer offenen Dachbalkenkonstruktion beherrscht wird. Eine Stufe führt zur halbkreisförmigen Altarinsel, über der sich der nach unten offen gebliebene Turmausschnitt erhebt. „Mit ihrer ungewöhnlichen, ausdrucksstarken Spiralform und der gezielten Verwendung von Sichtbeton ist sie ein charakteristisches Beispiel für den Kirchenbau der 70er-Jahre“, heißt es in einer Einschätzung des Denkmalschutzamts, das auch von einem „wirkungsvollen städtebaulichen Merkzeichen in dem Gebiet“ spricht.

Es sei immer ein „schmerzhafter Prozess“, sich von einer Kirche zu trennen, sagt Manfred Nielen, Sprecher des Erzbistums Hamburg. Doch von dem Reichtum der Katholischen Kirche in Europa habe man in Hamburg wenig, eine Sanierung des Kirchbaus sei der Gemeinde nicht möglich: Laut Haushaltsplan werde 2014 ein Überschuss von nur 47.746 Euro erwartet.

Auch die Reiherstieggemeinde in Wilhelmsburg muss sich von einem Sakralbau trennen. Sie kann sich die denkmalgeschützte Paul-Gerhardt-Kirche an der Georg-Wilhelm-Straße nicht mehr leisten. Künftig möchte sie ihre Aktivitäten in die Emmauskirche an der Mannesallee verlegen.